Meinung/Kolumnen/GesMBH

Kunstfehler

Er lächelte gelöst, nahm auf einem Podestchen Platz und schrieb Autogramme, als gäbe es kein Morgen.

Karl Hohenlohe
über Kunstfehler

Vor der Buchhandlung „Frick“ am Graben hatte sich eine lange Reihe gebildet. Die Menschen warteten geduldig, die Zeit schien außer Kraft gesetzt und eine fröhliche Grundstimmung lag in der Luft.

Ich war zufällig des Weges gekommen und erkundigte mich nach dem Ursprung der Glückseligkeit. „ Gottfried“, riefen die Menschen, „Gottfried Helnwein.“

Ich bin ein großer Verehrer von Herrn Helnwein, aber der Gedanke, mich jetzt ganz hinten in der Schlange einzureihen, ließ mich zaudern und ich fühlte mich auf einmal so, wie er andere zeichnet.

Dann ging plötzlich alles wahnsinnig schnell. Auf einmal kam Unruhe in die Reihe, Menschen scherten aus, lachten, strahlten, ein untrügliches Zeichen für das Erscheinen von Herrn Helnwein.

Da war er – Kopftuch, Brille, Nase – ganz er selbst. Er lächelte gelöst, nahm auf einem Podestchen Platz und schrieb Autogramme, als gäbe es kein Morgen. Erneut dachte ich über eine Einreihung nach und ob ich gegebenenfalls um eine kleine Zeichnung bitten sollte, die ich dann gewinnbringend veräußern würde.

In diesem Moment trat ein Herr auf mich zu, hielt mir ein Helnwein-Buch und eine Füllfeder entgegen und sagte: „Bitte.“

Ich griff zur fremden Feder, mit der ich mich nun schmücken sollte, kritzelte das Strichgesichti eines Sechsjährigen mit Pinsch in BE in das Buch und fälschte das Kunstwerk mit der Unterschrift von Gottfried Helnwein.

Der Autogrammjäger blickte irgendwie betroppezt. Nun muss ich mich fragen, habe ich mehr Herrn Helnwein geschadet oder mir?