Meinung/Kolumnen/GesMBH

Kinder, Kinder

Andere Kinder in dem gleichen Alter sitzen vor dem Fernseher, das Kind ist darin zu sehen.

Karl Hohenlohe
Über Königskinder:

Lächeln, das ist das Wichtigste. Lächeln ist der Händedruck der Königinnen. Man kann es nicht früh genug lernen. Das Kind sitzt in der Kirche, steht auf dem Balkon und auf den schwankenden Schiffsplanken und tut seine Pflicht.

Andere Kinder in dem gleichen Alter sitzen vor dem Fernseher, das Kind ist darin zu sehen.

Wenn es von Punkt A nach Punkt B geht, klatschen die Leute, winken mit Fahnen und betrachten das Kind. Wie sieht es aus, was hat es an, ist es fügsam oder aufsässig, sitzt die Frisur, watschelt es oder kann es schon schreiten.

Dem Kind geht es gut, weil es immer in der ersten Reihe sitzt. Dem Kind geht es nicht gut, weil es immer in der ersten Reihe sitzt. Irgendwann an diesem, bislang längsten Tag im Leben des Kindes, vergisst es, dass es keines ist. Es gähnt und während es gähnt, fällt es ihm ein, dass es wie ein Erwachsener handeln soll und hält sich die Hand vor den Mund.

Im Fernsehen werden die Damen und Herren diesen Vorgang kommentieren. Das Gähnen des Kindes wird ihnen deswegen in Erinnerung bleiben, weil sie vielleicht selbst schon müde sind oder weil, für einen kurzen Moment, ein ganz normales Ereignis aus dieser nahtlosen Aneinanderreihung an einzigartigen Er-eignissen herausstrahlt. Später wird man das Kind wieder lächeln sehen und es beobachten, wie es mit großer Ernsthaftigkeit winkt.

Noch später werden die Menschen der Königin zuwinken und die Königin, die nie ein wirkliches Kind sein durfte, wird zurücklächeln.