Meinung/Kolumnen/GesMBH

Zeitlos

Da stehen wir vor den Särgen der Vorfahren, manche sind im Bett gestorben.

Karl Hohenlohe
über die Lamberg-Gruft

Das Gebäude ächzte unter dem Lauf der Jahre. Wurzeln hatten seine Hülle gesprengt, der Verputz bröckelte an den morschen Mauern und es war nur mehr eine Frage der Zeit, bis es in sich zusammenbrach.

Da schrieb mir der wunderbare Herr Ithaler aus der Steiermark, dass er gemeinsam mit seinen Freunden die Lamberg-Gruft in Ilz restaurieren werde. Mit Spenden, unbezahlt und in der Freizeit.

Die Schwester meines Urgroßvaters war mit dem letzten Lamberg verheiratet, ein freundlicher Mann mit wenig wirtschaftlichem Geschick, das riesige Vermögen war an seinem Lebensende (1958) aufgebracht. Geblieben ist nur die Gruft, die sich wie ein schützender Panzer über den Särgen der Familie wölbt.

28. 9. 2013 – der Herr Pfarrer spricht vor dem instand gesetzten Gebäude, die Dame vom Denkmalamt und dann Herr Ithaler, der, wie er sagt, gar nicht so viel mit der Kirche und den alten Familien am Hut hat. Aber er möchte uns etwas erzählen, das ihn tief berührt hat.

Da stehen wir vor den Särgen der Vorfahren, manche sind im Bett gestorben, manche auf dem Schlachtfeld und der einzige Sohn des letzten Lamberg in Ausschwitz. Bei einem der Särge, erzählt Herr Ithaler, hatte sich während der Restaurierung der Deckel verschoben.

Als man ihn behutsam schließen wollte, fand sich ein Brief auf den sterblichen Überresten. Wasser und Schimmel hatten ihm arg zugesetzt, die Schrift war verlaufen, nur in der Mitte hatte ein einziges Wort den Jahrhunderten getrotzt, und war bis in unsere, weihnachtliche Zeit, leserlich geblieben: Liebe.