Meinung/Kolumnen/GesMBH

Valentinstag

Auf den Straßen sieht man aufgeregte Männer, die vergessen haben, Blumen zu kaufen, und aufgeregte Frauen, die es wissen.

Karl Hohenlohe
über den Valentinstag

Der Valentinstag ist der Heilige Abend der Blumenhändler. Es ist die einzige Profession, die nachhaltig vom schlechten Gewissen profitiert. Prominente posieren mit Rosen in den Zeitungen, auf den Straßen sieht man aufgeregte Männer, die vergessen haben, Blumen zu kaufen, und aufgeregte Frauen, die es wissen.

Ich hatte einmal einen, von allen Hausbewohnern hoch geschätzten Nachbarn, der am Valentinstag verstarb.

Es ging ihm schon einige Monate nicht gut und sein Zustand verschlechterte sich jeden Tag. Seine Gesichtsfarbe wandelte sich von Zartrosa zu Weiß, und selbst das Weiß schien irgendwann endgültig zu verblassen. Der Nachbar konnte seinem Dahinscheiden aber überhaupt nichts Negatives abgewinnen, war guten Mutes, redete ganz offen über seine – wie er es nannte – "bevorstehende Reise" und war bis an sein Ende voller Humor.

Am Vorabend des Valentinstages traf ich die Tochter meines Nachbarn im Stiegenhaus. Wir kamen ins Reden und sie erzählte mir, dass es dem Vater jetzt wirklich nicht mehr gut ginge und man jeden Moment mit seinem Ableben rechnen müsse. Sie war gerade auf dem Weg ins Kaufhaus und hatte ihren Vater gefragt, ob sie ihm irgendetwas, wie Früchte oder Blumen, mitbringen solle. Der Vater setzte sich auf und rief mit wackeliger Stimme: "Nein danke, Liebes, für Früchte ist es zu spät und für die Blumen ist es zu früh."

Anderntags brach er dann endgültig auf seine Reise auf. Er war jene seltene Gattung Mensch, wo man nicht trauert, dass er nicht mehr da, sondern dankbar, dass er gewesen ist.