Schuhspanner
Von Karl Hohenlohe
Plötzlich lag ein einsamer Schuh auf dem Parkett.
über den Opernball
Der Opernball ist eine rollende Maschine.
Es wogt das Meer der Tänzer, Kameraleute fegen durch das Geschehen, Blitzlichter erhellen das strahlende Dunkel und die Orden scheiden die Besucher in wichtig und bedeutungslos.
Es scheint, das Geheimnisvolle ist verloren gegangen; das Märchenhafte, das den Ball vermeintlich zusammenhält, ist nur mehr in Nuancen spürbar.
Aber der Schein trügt.
Bei der mit Gesellschaftsredakteuren gespickten Generalprobe geschah etwas, das trotz oder gerade wegen seiner poetischen Kraft nahezu unbemerkt blieb.
Gerade hatten sich die 150 Paare noch im Dreivierteltakt gewiegt, da lag er plötzlich da. Er war aus Leder, in jungfräuliches Weiß getaucht, benutzt und von der Besitzerin verlassen.
Plötzlich lag ein einsamer Schuh auf dem Parkett. Er schien seltsam teilnahmslos, aber nicht unbefangen, er wartete, aber er wartete umsonst.
Der Fuß, der ihn füllte, schien ihn nicht weiter zu vermissen, möglicherweise war er seiner müde, vielleicht hatte der Schuh am Rist zu straff gehalten, die Zehen zu heftig gebändigt oder aber er war durch ein hinterhältiges Ersatzexemplar seiner Jahrhundert-Chance, den Opernball zu eröffnen, beraubt worden.
Die wenigen Besucher, denen die Tragweite dieses märchenhaften Vorfalles bewusst geworden war, lächelten.
Der einsame Schuh, der in all seinem Leid für Sekundenbruchteile das Parkett des Opernballsaales beherrschte, konnte nur einer Person gehören:
Aschenbrödel lebt.