Klatschspalte
Von Karl Hohenlohe
Jede Form von auffälligem Verhalten wäre der Lehrerschaft zutiefst zuwider.
über seinen Onkel
Immer, wenn sich das Jahr zu Ende geneigt hat, wird man nach seinen herausragendsten Erlebnissen befragt. Die trostlosesten Gesprächspartner, das beste Essen, die schönste Konzertaufführung etc. etc.
Mir ist von 2013 insbesondere eine Geschichte in Erinnerung geblieben, die möglicherweise Schenkelklopfer nur unzureichend bedient, aber jene, deren Vorstellungskraft gut ausgebildet ist, glücklich stimmen wird.
Ein längst emeritierter Onkel von mir, der sich der Physik verschrieben und es damit bis zum Universitätsprofessor gebracht hatte, erzählte mir von seinem Besuch in Osaka. Man hatte ihn auf der Uni zu einer Vortragsreihe eingeladen und vorab schon dahingehend instruiert, dass die japanischen Kollegen sehr freundlich wären und größten Wert auf Höflichkeit innerhalb des Lehrkörpers legten. Jede Form von auffälligem Verhalten wäre der Lehrerschaft zutiefst zuwider.
Mein Onkel nahm sich die Verhaltensregeln zu Herzen, beim ersten Treffen im Festsaal grüßte er jeden einzelnen Professor mit größter Höflichkeit, verbeugte sich ganz nach japanischer Sitte tief und kam schließlich neben einem weißhaarigen Herrn in der ersten Reihe zu sitzen. Plötzlich stand dieser auf und hielt eine flammende Ansprache. Mein Onkel, des Japanischen nicht mächtig und von seiner eigenen Höflichkeit übermannt, unterbrach die Rede immer wieder mit frenetischem Applaus. Was er nicht wusste: Der weißhaarige Herr hatte an den gerade verstorbenen Rektor erinnert und, vom ständigen Applaus des Onkels unterbrochen, ersucht, ihn in aller Stille in Erinnerung zu behalten. office(at)hohenlohe.at