Hungerkünstler
Von Karl Hohenlohe
Sein Leben war einzig und allein dem guten Essen gewidmet.
über den ungarischen Baron Z.
Jetzt, wo die Fastenzeit den Hunger zügelt, möchte ich den längst verstorbenen ungarischen Baron Z. erwähnen, den ich als kleines Kind noch gesehen habe.
Er erschien trotz seiner ungeheuren Leibesfülle nahezu grazil, wenn er saß erinnerte er an ein glückliches Walross und stehend an eine tänzelnde Kuh.
Sein Leben war einzig und allein dem guten Essen gewidmet, er verabscheute Vegetarier und Antialkoholiker, war ein beliebter Gastgeber und weil er mit so ungeheurer Inbrunst aß, ein ebenso beliebter Gast.
Selbstverständlich war man in der Küche auf sein Erscheinen vorbereitet, die Portionen wurden umgehend verdoppelt – nach den ersten Erfahrungen verdreifacht – und die anderen Gäste angehalten, vor einem Abendessen mit Baron Z. eisern Diät zu halten.
Es war schon kurz vor Mitternacht, als die letzten Teller abgetragen wurden und sich die Eingeladenen stöhnend die Bäuche hielten.
Die Hausfrau war erschöpft, müde, aber glücklich, wandte sich an Baron Z. und fragte, ob sie ihn denn bald wieder zum Essen einladen dürfe.
Er blinzelte sie aus seinen kleinen Augen an und sagte: "Jetzt gleich".
Wie erwähnt, hegte Z. tiefste Aversionen gegen Liebhaber fleischloser Küche.
Einmal wurde er neben einem Vegetarier platziert und als man diesem einen Teller mit gekochtem Gemüse servierte, schaute Z. ihn beiläufig an und erkundigte sich dann:
"Werden Sie das noch essen oder haben Sie es schon?"