Blumenmarkt
Von Karl Hohenlohe
Legenden gedeihen am besten im Schatten.
über Conchita Wurst
Es war einmal eine nahezu exotische Blume. Nahezu exotisch, weil sie in Österreich entdeckt wurde und der Begriff "exotisch" das Fremdländische betont.
Die seltsame Pflanze erblühte und mit einem Mal unterschied sie sich von allen ihren Artgenossen. Niemand konnte sagen, ob sie eine Rose, ein Veilchen oder eine Chrysantheme war.
Zuerst waren die Botaniker erschrocken, immer hatten sie die Blumen in Kategorien eingeteilt, in Familien, Gattungen und Arten. Die seltsame Blume wurde eine nationale Berühmtheit, man achtete sie. Dann entschloss man sich, das seltsame Gewächs zur internationalen Blumenausstellung nach Kopenhagen zu entsenden. Nein, nicht schicken, sondern entsenden, die einstmals exotische Blume war zur Botschafterin ihres Landes geworden.
Bei der Wahl der schönsten Blume eroberte sie Platz 1 und plötzlich wandelte sich die Achtung ihrer Landsleute in Verehrung. Die obersten Botaniker entsandten im Namen aller Botaniker Glückwünsche, posierten neben der exotischen Blume, nur die Freunde aller nichtexotischen Blumen hielten sich zurück.
Seither beherrscht die Pflanze alle Schlagzeilen. Kein Tag vergeht, ohne die neuesten Nachrichten, wie geht es der Blume, wurde sie gewässert, ist sie glücklich – die exotische Blume in Bad Mitterndorf, in Wien und Cannes.
Nun mahnen Gärtner, dass die Menschen sich rasch sattsehen, die Blume zu oft in die Sonne gestellt wird und sie möglicherweise zu rasch verwelkt. Legenden gedeihen am besten im Schatten.