Ansprachschatz
Von Karl Hohenlohe
Das war ein Theater, ein großes Theater, möchte man sagen.
über Theater.
In Bad Ischl geschah nun etwas Seltsames.
Im Lehar-Theater lobte Laudator Otto Schenk Herrn Michael Niavarani und duzte den neuen Nestroy-Ring-Preisträger mehrfach auf offener Bühne. Dies ist nichts Ungewöhnliches, auch wenn die Künstler in tiefster Feindschaft verbunden sind, sagen sie einander Du und lobpreisen einander in höchsten Tönen.
Herr Schenk und Herr Niavarani aber begegnen einander mit großem Respekt, es ist sicher nicht falsch, an dieser Stelle von Zuneigung zu sprechen.
Abseits der Bühne, wenn die Scheinwerfer langsam verloschen sind, die Fernseh- und Zeitungsredakteure das Weite gesucht und längst gefunden haben, dann sprechen sich Herr Schenk und Herr Niavarani aber gewöhnlich mit „Sie“ an. Wie kommt es nun zu diesen Formalitäten? Es ist Theater.
Wünscht sich ein Ausgezeichneter einen profunden Laudator und bekommt ihn auch, denkt sich das Publikum, da stehen zwei langjährige Weggefährten auf der Bühne.
Zwei, die durch dick und dünn gegangen sind und gemeinsam schon Zigtausende Pferde stahlen.
Solche Gefährten duzen sich gewöhnlich, S. und N. aber nicht. So stand Herr Schenk also, der Herrn Niavarani über alle Maßen schätzt, aber noch nie ein Programm von ihm gesehen hat, vor einem Dilemma. Dieses umschiffte er ungeheuer elegant, indem er seinen Schutzbefohlenen auf der Bühne duzte, vorher und nachher jedoch nicht.
Das war ein Theater, ein großes Theater, möchte man sagen.