Meinung/Kolumnen/GesMBH

Gastrolle

Genau in so einem Moment traf ich in den 90er-Jahren auf den Schriftsteller Gregor von Rezzori.

Karl Hohenlohe
über Gregor von Rezzori.

Nun beginnt die Zeit, wo man landauf, landab über den Opernball befragt wird.

Was ihn denn letztendlich ausmacht? Faszination? Abscheu? Märchenwelt? Dschungelcamp der oberen Zehntausend? Lugner und, selbstverständlich, wer war der Lieblingsgast?

Dies ist die schwierigste Frage. Wenn man in seinem Kommentatorenkämmerchen sitzt, sind einem alle Besucher gleich, man ist räumlich und emotional von ihnen getrennt, erfreut sich an ihren Gesten und Grimassen und wünscht ihnen nur das Allerbeste.

Sind die Kameras einmal abgedreht und man betritt das reale Ballgeschehen, sind einem einzelne Prominente plötzlich sehr nahe und dadurch fern.

Die Aufmerksamkeit der Medien hat sie erschöpft, die Kleidung ist verrutscht, das Haar zerzaust, aber nun sind sie ganz sie selbst.

Genau in so einem Moment traf ich in den 90er-Jahren auf den Schriftsteller Gregor von Rezzori.

Grischa, wie man ihn nennen durfte, wenn man ihn ein wenig besser kannte, blickte fast ein wenig wehmütig hinunter in den Ballsaal und ich erkundigte mich, wie lange er denn noch bleiben wolle.

Der so jugendlich wirkende, hochbetagte Grischa, der gerade sein Buch „Greisengemurmel“ veröffentlicht hatte, lächelte und meinte: „Ich warte, bis die Moral und die Sitten verfallen.“

Ich weiß nicht, wie lange Gregor von Rezzori dem Ball eine Chance gab, aber wenn ich gefragt werde, wer mein Opernball-Lieblingsgast ist, nenne ich umgehend seinen Namen.