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Buchführung

Auch die Anhänger Jerry Cottons, der Perlen-Reihe und Konsaliks verehrten ihn.

Karl Hohenlohe
über Marcel Reich-Ranicki.

Marcel Reich-Ranicki war nicht nur den Literatur-Kennern ein Freund. Auch die Anhänger Jerry Cottons, der Perlen-Reihe und Konsaliks verehrten ihn.

Manche abgöttisch.

Marcel Reich-Ranicki war der größte Entertainer unter den Intellektuellen, und er wird uns auch Kraft seiner eigentümlichen Stimme lange in Erinnerung bleiben. Diese Mischung aus Stöhnen, Pfeifen, Gurgeln, der harte Anschlag der Zunge auf den Vorderzähnen, die schnarrende Sprache, die so viele Wahr- und Bosheiten transportierte, dass man auch als ausgewiesener Kenner der Trivialliteratur gefesselt vor dem Fernseher saß.

Noch dazu, verehrte Leserschaft, war das Ganze nichts anderes als Starrsinnigkeit. Reich-Ranicki in einem Interview zu Herlinde Koelbl: „Ich bin aufgewachsen in einer Zeit, als täglich in den Zeitungen stand, die Juden seien eine minderwertige Rasse, unfähig, den deutschen Geist und die deutsche Literatur zu verstehen, in deutscher Sprache zu schreiben. Das hat mich ein für alle Mal geprägt. Bei allem, was ich tue, handle ich aus Trotz.“

Das Schaffen von Herrn Reich-Ranicki ist die fruchtbarste Trotzreaktion der jüngeren Literaturgeschichte.

Es gab und gibt nur wenige Kritiker, die dermaßen polarisierten, die auf dem roten Teppich ebenso zu Hause waren wie im Elfenbeinturm.

1995 bekam er den Ludwig-Börne-Preis und als man 2010 an ihn herantrat und die Verleihung der Ludwig-Börne-Ehrenmedaille anvisierte, sagte Marcel Reich-Ranicki, ganz wie es seine eigentümliche Art war: „Meinetwegen“.