Warnung vor dem Lesen
Von Simone Hoepke
Ich sag’s, wie’s ist: Man kann nicht jeden Käfer retten.
übers Weinlesen
Von wegen "Saure-Gurken-Zeit". Die Österreichische Wein-Marketing schickte kürzlich eine Art Überlebenshilfe für Selbstversorger und Gastgarten-Verweigerer aus. Sie erklärte wortreich, wie man einen G’spritzten höchstselbst zubereitet. Für alle, die es noch nicht wissen: mit Wein und geschmacksneutralem Soda (nicht Mineralwasser). Diese Mischung kommt vorzugsweise in ein Krügerl, weil der Wein hinter der dicken Glaswand länger kalt bleibt als im ultradünnen Burgunderglas. Jetzt ist das also endlich geklärt.
Bleibt die bange Frage, wie viel Wein gesund ist. Viele schwören auf das tägliche Viertel Rot – als eine Art Schmiermittel fürs Herz. Wie viel Wein dem Menschen guttut, hängt aber scheinbar auch von seiner Umgebung ab.
Deutsche Behörden empfehlen Männern maximal 250 Milliliter Wein pro Tag, Frauen nur halb so viel. Trinkfreudiger sind die katalanischen Gesundheitsapostel. Sie finden 795 Milliliter in Ordnung – und zwar für Männer und Frauen gleichermaßen. Damit grenzen sie sich klar von anderen spanischen Gegenden ab, in denen nicht einmal halb so viel als unbedenkliche Tagesration durchgeht.
Mir war das ja eine Zeit lang völlig wurscht. Weil ich gar keinen Wein mehr getrunken habe. Schuld war ein traumatisches Erlebnis: Ich stand mit blauen Gummihandschuhen und Zange bewaffnet zwischen den Rebstöcken, bereit zur Weinlese. Buddhisten kann ich vor solchen Aktionen nur warnen. Das ist nichts für schwache Nerven. Ich sag’s, wie’s ist: Man kann nicht jeden Käfer retten. Unmöglich! Sie kleben wie Pech an den Trauben. Gemeinsam mit den Wespen. Sie fliegen nicht einmal weg, wenn die Trauben längst auf den Traktor verladen und Richtung Presse unterwegs sind. Was folgte, war ein Marienkäfer-Gemetzel, das ich größtenteils verdrängt habe.
Manchmal fällt es mir wieder ein. Wenn Hobby-Sommeliers davon schwärmen, dass ein Wein "würzig", "muskulös" oder "zartbitter" schmeckt. Oder wenn sie darüber schimpfen, dass er "irgendwie pelzig" ist.