O Tannenbaum

Am 12. Dezember eröffnen 296 Christbaummärkte. Nicht weltweit, allein in Wien. Rund 400.000 Bäume werden in die Stadt gekarrt. Von der Miniatur-Ausgabe fürs Nachtkastl bis zu Modellen, die dafür sorgen, dass vor lauter Baum keine Verwandtschaft mehr ins Wohnzimmer passt.

Beim Weihnachtsbaum lassen sich die Wiener nicht lumpen. Vor dem Rathaus leuchten 1000 Lichter auf einer 27 Meter hohen Fichte. Dagegen kann der Vatikan mit seiner 25 Meter hohen Rotfichte einpacken.

Mit den Christbäumen aus meiner Kindheit hat das nichts zu tun. Unsere Bäume haben sich dezent an die Wohnzimmerwand geschmiegt. Das konnten sie, weil sie nicht auf allen Seiten Äste hatten. Mein Vater sucht verlässlich die erbärmlichste Tanne im ganzen Wald. Mit dem Argument, dass in seinem Wohnzimmer kein gesunder Baum wegen eines bürgerlichen Brauchs sterben muss. Er beschert einem "Krepierling" einen glamourösen Lebensabend. Tatsächlich lässt der Auserwählte dann unter der Last der Lichterkette die Äste traurig hängen.

Was Christbäume angeht, komme ich nach meinem Vater. Ich will auch keinen gesunden Baum umschneiden. Deswegen gehen wir heuer zum Christbaummarkt. Dort können wir die Verantwortung für den umgesägten Baum dem Verkäufer umhängen. Der holt die Bäume vom Acker. Acht von zehn Christbäumen wachsen auf dem Feld. Sprich: Man kann sie ruhigen Gewissens kaufen, weil sie ohnehin Weihnachten nicht überlebt hätten. Ein Freibrief zum Kauf einer herzeigbaren Nordmanntanne.

Es geht noch einfacher: Eine Tanne im Topf kann man sich nach Hause liefern lassen wie eine Pizza. Mit Rückgaberecht nach Weihnachten – für alle, die sie nicht eigenhändig aussetzen wollen.

Für alle anderen bleibt der Plastikbaum. Einen solchen wollte heuer ein Kricket-Star aus Sri Lanka haben – hundert Meter sollte er in den Himmel ragen. Eine "unendliche Verschwendung", fand der Erzbischof von Colombo. Er drehte das Projekt ab. Der größte künstliche Baum der Welt stand übrigens 2015 in China. Er war 55 Meter hoch.