Fake-Fell
Von Simone Hoepke
Die Viecher sitzen einem quasi im Genick. In Form von Pelzbesätzen auf Mantelkrägen.
über Fake-Fell
Es ist gar nicht so einfach, im Winter ohne tierische Begleitung spazieren zu gehen. Die Viecher sitzen einem quasi im Genick. In Form von Pelzbesätzen auf Mantelkrägen. Als fellige Umrandung der Kapuze. Als Bommel auf der Mütze. Das muss man mögen. Zumal Tierschützer jetzt auch noch Alarm schlagen, weil vieles, das als Kunstpelz daher kommt, in Wirklichkeit Echtpelz aus China ist. Dieser soll schon billiger sein als Kunstpelz – zumindest dort, wo sich niemand um die Haltungsbedingungen der Marderhunde und Kaninchen schert.
Der Super-GAU aus Tierschützersicht sind Daunenjacken mit Fellbesatz. Weil Daunen oft aus Lebendrupf kommen. Das ist schmerzhaft für die Gans und lukrativ für ihren Besitzer. Meistens wachsen die Daunen, die Gänse unter ihrem Federkleid haben, nämlich dichter nach, wenn sie mehrmals gerupft werden. Die meisten Daunen kommen übrigens aus einem Land, das nicht unbedingt als Vorreiter in Sachen Tierschutz gilt: China.
Eine Hausgans hat – sofern ihr niemand den Hals umdreht – eine Lebenserwartung von 30 Jahren. Das ist deutlich mehr als die durchschnittliche Halbwertszeit von Daunenjacken oder Decken. Diese landen meist nach wenigen Saisonen im Müll. Das soll sich jetzt ändern. Eine Firma aus Las Vegas versucht ihr Glück mit dem Recycling von Daunen. Meine Bettdecke könnte im zweiten Leben also die Winterjacke meines Nachbarn werden. Bis es so weit ist, hab ich mir eine Winterjacke ohne Daunen und Pelz gekauft. Sicher ist sicher.
Gestern hab ich mit einem Kürschner telefoniert. Er muss sein Handwerk von Berufs wegen verteidigen: Alles Felle von glücklichen Tieren, die frei gelebt haben, bis sie aus heiterem Himmel von der Schrotkugel getroffen wurden und glücklich umgefallen sind. Meine neue Winterjacke findet er moralisch bedenklich. Weil sie mehr oder weniger aus Plastik ist. Vom ökologischen Fußabdruck her eine mittlere Katastrophe. Letztlich verschmutzt Plastik die Meere. Wegen dem Plastik sterben Fische, sagt er.
Ich bin froh, wenn der Winter endlich vorbei ist.