Meinung/Kolumnen/Gemischter Satz

Der Schuh im Ministerium

Ich frag mich immer, woher die Schuhe kommen, die herrenlos am Gehsteig stehen.

Mag. Simone Hoepke
Kunstwerk Schuh

Ich frag mich immer, woher die Schuhe kommen, die herrenlos am Gehsteig stehen. Wer verliert am Heimweg einen Turnschuh und bemerkt es nicht? Warum setzt man Pumps am Straßenrand aus? Fallen sie vom Himmel oder aus offenen Fenstern?

Letzte Woche hatte ich wieder so ein Schuh-Erlebnis. Ein blitzblank polierter, schwarzer Herrenschuh. Er stand auf dem Stiegengeländer, genauer gesagt auf einer Marmor-Balustrade. Beim Stiegenaufgang, im Erdgeschoß des Sozialministeriums. Ob er eine rote Sohle hatte, kann ich nicht sagen. Ich wollte den Schuh gerade aufheben, als ich den Zettel neben ihm las: "Bitte nicht entfernen. Der Schuh gehört zum Kunstwerk."

Puh! Gerade noch mal gut gegangen. Fast hätte ich das Gesamtkunstwerk zerstört. Ich wär ja nicht die Erste gewesen, der so ein Missgeschick passiert. Zu einem gewissen Bekanntheitsgrad schaffte es ja eine eifrige Putzkraft, die in einem Museum einen Kalkfleck wegkratzte, der blöderweise Teil einer 800.000-Euro-Installation war. Tragisch, aber kein Einzelschicksal. Selbst ein Fettfleck, den Joseph Beuys zur Kunst erklärte, wurde Opfer einer Putzattacke. Der Spruch "Is’ das schon Kunst oder kann das weg?" hat so echten Kult-Status erlangt.

Es gibt aber wirklich schlimmere Fehltritte. Etwa direkt in ein Picasso-Bild zu stolpern, so wie es einer Amerikanerin im New Yorker Metropolitan Museum gelungen ist. Vermutlich hatte sie das falsche Schuhwerk an.

Schuhe sind mehr als etwas, das man sich um den Fuß wickelt. Im arabischen Raum werden sie mitunter als Wurfgeschoße verwendet, um den Feind seine Geringschätzung auszudrücken. George Bush weiß das spätestens seit jenem Tag in Bagdad, an dem ihm ein Modell, Größe 44, auf Augenhöhe entgegengeflogen kam. Schuhe sind auch Statussymbol. Als solche füllen sie die Mode-Seiten. Und die Politik-Seiten. Immerhin konnten die Leoparden-High-Heels von Theresa May diese Woche kurzfristig von den Problemen in der Downing Street Nr. 10 ablenken. Eine echte Kunst, oder?