Ein Freund mit Kelle
Die Kelle fährt aus. Ein roter Punkt, am anderen Ende ein rotes Gesicht. Gerade eben, als man dachte, die Strecke von Lemberg nach Kiew sei gar nicht so miserabel wie befürchtet, macht dieser Polizist der Zufriedenheit ein jähes Ende. Acht Stunden im Fahrersitz, da kann der Gasfuß schon zum unkontrollierbaren Anhängsel werden. Aber das verstehen Ordnungshüter auch in der Ukraine nicht wirklich.Der Mann in Uniform zeigt den Beweis, eine Radarpistole – einem Föhn aus den Sechzigern nicht unähnlich. Die Zahl 74 steht drauf. Und erlaubt waren? Der Polizist malt gestenreich "50" in die Luft. Rein rechnerisch 24 km/h zu viel. Vielleicht, vielleicht aber auch nicht.Also auch am Tag nach dem komplizierten Grenzübertritt wieder das bekannte Spiel: Papiere hervorkramen, Auto abstellen, mitkommen. Das nächste Beweisstück: ein abgegriffenes Foto, das eine 50er-Geschwindigkeitsbeschränkungstafel zeigt. Aha.Fragen über Fragen. Woher man denn genau komme, was man in der Ukraine eigentlich treibe und so weiter. Richtige Antworten, das macht 540 Hryvinja – etwa 54 Euro – Strafe. Und dann sagt der Kappenträger plötzlich: "Friends." Freunde? Das rote Gesicht rinnt auseinander.Schon schießt in den Kopf, was man in all den Geschichten über die Ukrainer so gelesen hat. Ein kleiner "Freundschaftsdienst", am besten in Form von Banknoten, und alles ist vergessen.Doch der Griff ins Geldbörsel wird vom heftigen, fast entrüsteten Kommentar des Polizisten unterbrochen: "Nein, fahren Sie weiter."Und es folgt die feierliche Erklärung: "Das ist ein Geschenk des Staates Ukraine an Österreich."Man sollte sie nicht immer mit im Gepäck haben, die Vorurteile. "Do pobacennja" – Auf Wiedersehen.