Wo das Meer einfach verschwindet
Von Vea Kaiser
Dort oben windet’s, dass einem schwindelig wird
über Sommerurlaub
Die Wege des Sommerurlaubs sind unergründlich. Den Pusztaboy und mich führten sie an einen höchst exotischen Ort, und zwar nach Sylt, die nördlichste deutsche Insel, wo das Handy mit dem dänischen Netz kokettiert. Von alleine hätten wir uns dieses Ziel nicht ausgesucht. Wir waren jedoch auf eine Geburtstagsfeier geladen und dachten, wenn wir schon da sind, dann bleiben wir halt. Laut illustren Illustrierten ist Sylt die deutsche Promi-Insel, jenes Pflaster, wo Reich und Schön Champagner säbeln. Wir dachten, das sei alles übertrieben, doch als wir in Düsseldorf umstiegen, war der Gang durch das Flugzeug nach Westerland eine imposante Leistungsschau der deutschen plastischen Chirurgie. Dafür ist die Landschaft wunderschön. Das Meer blau, der Strand weiß, wilde Dünenformationen, die stellenweise an eine Mondlandschaft erinnern, und dazwischen Strandkörbchen, die zum Verweilen einladen. Oder besser gesagt: die vor dem Verwinden retten. Denn was sowohl die Illustrierten als auch Postkartenfotos verschweigen: Dort oben windet’s, dass einem schwindelig wird. Man sagte zu uns, wir hätten großes Glück mit dem Wetter, weil es Temperaturen über 20 Grad hatte und nur zwei Mal in der Woche regnete. Als wir über eine Düne spazierten, kam eine solch kräftige Böe, dass das vor uns trabende Malteserhündchen fliegen lernte. Nachts schliefen wir begleitet vom Wellenrauschen ein, doch als wir am nächsten Morgen wach wurden, war das Meer weg. Einfach verschwunden. Und vielleicht bin ich spießig, aber ein Meer, an dessen Küsten man auf Urlaub fährt, sollte nicht kommen und gehen, wie es ihm gefällt. Es war ja trotzdem irgendwie wunderschön, aber ob das den Tinnitus wert ist, der mir seither durch die Ohren pfeift, ist eine andere Frage. Dafür wissen wir jetzt, was Sommerfrische wirklich bedeutet.