Meinung/Kolumnen/fabelhafte WELT

Macho, Macho

Mit wir meine ich mich UND dich und basta.

Vea Kaiser
über Urlaub bei der neapoletanischen Verwandtschaft

Mitten am Höhepunkt der Juli-Hitze nahm mich mein Dottore Amore mit nach Süditalien, um seine Familie kennenzulernen. Schweißgebadet erinnerte ich mich daran, wie ich mit Freunden vor langer Zeit im Golf von Neapel geplanscht hatte. Als ich das dem Dottore Amore erzählte, untersuchte er sofort meine Arme und Beine auf Hautkrankheiten. „Das war vor fast 15 Jahren“, sagte ich. „Du ahnst nicht, was in dem Wasser drinnen ist“, sagte er. „Schau wie viele Leute da drin schwimmen“, meinte ich und zeigte auf den Strand, den man vor lauter Menschen nicht mehr sah. „Das ist deren Problem“, antwortete er und setzte hinzu: „Wir gehen sicher nicht ins Wasser. Und mit wir meine ich mich UND dich und basta.“ Ich bin mir ziemlich sicher, in Wien hätte sich mein Hasi niemals getraut, so mit mir zu reden. Oder bis drei Uhr nachts Sonnenbrillen aufzusetzen. Oder sein Hemd bis zum Bauchnabel aufgeknöpft zu tragen. Aber nachdem wir eh noch nie ein Rollenspiel versucht hatten, beschloss ich mitzuspielen und für die nächsten Tage die liebe, folgsame ragazza zu mimen, während er auf männlicher Supermann machte. Ich brachte ihm zu trinken, zog nette Kleidchen an, und ließ mich nicht davon irritieren, dass süditalienische Familien gerne über die neue ragazza sprechen, während sie mit am Tisch sitzt. Die brave ragazza lächelte, lauschte den Diskussionen darüber, wie es sein könne, dass sie Österreicherin sei, obwohl sie nicht blond, sondern so dunkel ist, während sich der männliche Supermann bedienen ließ. Zurück in Wien versuchte er es ein einziges Mal. „Tesoro, bringst du mir mein Handy-Ladegerät?“ Ein Blick reichte, und er sprang vom Sofa auf, holte sich sein Ladegerät selbst, kochte mir Espresso, räumte den Geschirrspüler aus und putzte schließlich noch den Kühlschrank. Denn so machen das die echten männlichen Supermänner.

vea.kaiser@kurier.at