Omas Schnitzi und Nudelsuppe
Von Vea Kaiser
Irgendwann steht Sake am Tisch oder Shōchū, endlos fieser Süßkartoffelschnaps.
über Katerrezepte
Als ich nach einundzwanzig Stunden Reise abends in Osaka ankam, fühlte ich mich gerädert wie zu den wildesten Studentenparty-Zeiten, wenn wir von Donnerstag bis Samstag durchmachten und Sonntag um 11 trotzdem bei der Oma Schnitzi essen mussten. Nur, dass dieses Mal ich nüchtern war, während die schicken japanischen Geschäftsleute am Bahnhof rochen, als wäre es der nationale Seid-Betrunken-im-Anzug-Tag. Osaka, Japans zweitgrößte Stadt und Handelsmetropole, ist bekannt als Stadt des After-Work-Vergnügens – sogar die Wartebänke sind so angeordnet, dass plötzlich aus dem Rauschnickerchen aufschreckende Wartende nicht in Richtung der Gleise laufen. Doch als ich nach meinen Lesungen im ganzen Land in traditionelle Gaststätten zum Abendessen eingeladen wurde, lernte ich, dass mein Einstand in Japan wohl weniger an Osaka lag, sondern an der Art, wie man hier in Gruppen zu speisen pflegt. Grundsätzlich gilt: Auch Bier ist Wasser. Zierliche Kellnerinnen im Kimono jonglieren Krügerl durch die Lokale, als hätten sie alle am Oktoberfest gelernt. Zu essen gibt es kleine, kohlenhydratarme Speisen wie Tintenfisch-Innerein, im Ganzen frittierter Fischkopf, und natürlich Sashimi, serviert mit dem Rest des Fisches, aus dem es geschnitten wurde. Zum Beweis der Frische zuckt der übrigens noch. Irgendwann steht Sake am Tisch oder Shōchū, endlos fieser Süßkartoffelschnaps, und die reservierten, sehr förmlichen Japaner tauen auf, trauen sich sogar, persönlich zu werden, denn am nächsten Tag spricht man keinesfalls darüber, was in der Nacht davor geschah. Anders als mir zu meinen Studentenparty-Zeiten, merkt man den Japanern allerdings die Exzesse der Vornacht nie an. Denn zum Frühstück gibt es die beste Kater-Kur seit der Erfindung des Katers: dampfende, deftige Nudelsuppe. Da kann sich das Schnitzi von der Oma warm anziehen.
vea.kaiser@kurier.at