Meinung/Kolumnen/Durchblick

Ein Phänomen

Irgendwie ist Thomas Müller ein Prototyp – eine Mischung aus allem

Marc Janko
über den deutschen Sieg und die Tortechnik

Ich bin kein Fan davon, Mannschaften bei einer WM schon nach einem Auftritt zu sezieren und ein Urteil zu fällen. Dennoch kann man als Zuschauer erste Eindrücke sammeln.

Nach dem Kantersieg der Niederländer gegen Spanien hat mich auch der Auftritt der Deutschen gestern beeindruckt. Sie haben den Spielverlauf, der sich zu ihren Gunsten entwickelt hat, beinhart ausgenutzt. Der Elfmeter, der zum 1:0 führte, war ein Geschenk. Beim Kopftor von Hummels hat Portugal im Raum verteidigt, was immer gefährlich ist. Die Abwehrspieler waren viel zu statisch und haben nicht gegen den Ball verteidigt, Hummels kam mit viel Schwung und konnte dadurch treffen. Zur Pause war das Duell schon entschieden.

Über den Ausschluss von Pepe gibt es nichts zu diskutieren, wieder einmal hatte er seine Nerven nicht unter Kontrolle. Portugal wird es schwer haben. Ich traue ihnen im nächsten Spiel gegen die USA zwar einen Sieg zu, aber sie werden nicht lange im Turnier verweilen. Mit Hugo Almeida, Pepe und Coentrão haben sie gleich drei Ausfälle, die schmerzen.

Thomas Müller ist für mich ein Phänomen, weil er nicht spektakulär und elegant, dafür oft unorthodox und extrem effektiv agiert. Er könnte zum zweiten Mal in Folge nach 2010 WM-Schützenkönig werden, das wäre einzigartig. Er ist ein offensiver Mittelfeldspieler, aber weder eine falsche Neun, noch ein echter Stürmer. Irgendwie ist er ein Prototyp – eine Mischung aus allem.

Mit Sieg zur Euphorie

Heute erfolgt der erste Auftritt der belgischen Elf, die bei vielen Fans als Geheimtipp gehandelt wird. Auch ich erwarte mir von dieser Mannschaft viel. Die Spieler sind bei tollen Vereinen engagiert, alle Positionen sind gut besetzt. Jetzt heißt es, sich gleich im ersten Spiel mit einem Sieg Luft zu verschaffen und die hohen Erwartungen zu erfüllen. Nichts gegen Algerien, aber das sollte den Belgiern gelingen. Der Fußball spiegelt auch hier das Leben wider: Hätte, sollte – der Konjunktiv zählt am Ende nicht. Belgien traue ich das Viertel- oder gar das Halbfinale zu.

Zum zweiten Mal tritt heute Brasilien an. Gelingt gegen Mexiko ein Sieg, dann entsteht genau diese Euphorie, die ich vor dem Eröffnungsspiel angesprochen habe. Ein zweiter Erfolg, vor allem gegen eine gute Mannschaft wie Mexiko, und Brasilien kommt von selbst ins Laufen.

Endlich hat es bei dieser WM eine Szene gegeben, bei der sich die Sinnhaftigkeit der Tortechnik gezeigt hat – beim Tor von Frankreich gegen Honduras. Die Diskussionen, ob man sie einsetzen soll oder nicht, habe ich nicht nachvollziehen können, weil es einfach dem Sport hilft. Wenn das im Tennis möglich ist, warum nicht im Fußball? Ich bin wirklich froh, dass es diese strittige Aktion gegeben hat – und dass sie dank der Technik aufgelöst worden ist.

Marc Janko ist Stürmer des österreichischen Nationalteams und analysiert für den KURIER die WM.