Meinung/Kolumnen/Die heiße Sohle

Die Halbwertszeit des Heldentums

Der Ballsaal im Parkhotel geht über. Es walzt, wogt und dampft.

Dieter Chmelar
über "Dancing Stars"

Der Ballsaal im Parkhotel geht über. Es walzt, wogt und dampft. Eine ältere Dame – also: eine elegante Besucherin etwa meines Jahrgangs – zupft mich im dichten Getümmel zart am Smokingärmel und bietet mir stilgerecht auf Schönbrunner Deutsch Asyl in ihrer Loge an. Dort strahlt sie mit dem Kränzchen dreier Freundinnen um die Wette. Die "Dancing Stars" (heute wieder, 20.15, ORFeins) aus den neun Staffeln seit 2005 hautnah zu erleben, ist ihnen ein Herzensanliegen und ein Jahrzehnte-Ereignis. Das mag manche erstaunen, mir nötigt es freilich keinerlei spöttischen Hochmut ab, sondern durchaus Respekt – vor der Breiten- und Tiefenwirkung des (in Dutzenden Ländern laufenden) BBC-Erfolgsformats. Ein Effekt, der weit übers Fernsehkastl hinausgeht. Welch ein liebevoller Fanatismus für die wenigen verbliebenen Helden von heute, die für ihre Verehrung statt Maden-Fraß höchstens einen Muskelriss in Kauf nehmen. Promis, die tanzen, genießen im Fußumdrehen verblüffend große Popularität.

Doch die handgestoppte Halbwertszeit ihrer Unsterblichkeit lässt sich, bei näherer Betrachtung fast auf die legendäre Warhol’sche Maßangabe für Berühmtheit runterrechnen: Das erfahre ich auch spätestens nach dieser Viertelstunde in der Parkhotel-Loge meines Schönbrunner Damenkränzchens.

Bis dato schwebten nämlich bereits 96 Promis sämtlicher Gewichtsklassen übers Parkett des ORF-Ballrooms – gut zwei Dutzend davon ließen sich vom rührigen Radio Wien ins Parkhotel locken.

Hubert Neuper eilt vorbei. Erste Dame zu mir: "Na, kann eh scho wieder gehen." Ich: "Sie verwechseln ihn mit dem Erik Schinegger, gell?"

Sueli Menezes (7. Staffel, 2012) huscht Richtung Bühne. Zweite Dame zu mir: "Singt die heute noch?" Ich: "Nein – Sie meinten wohl Tini Kainrath (5. Staffel, 2010), hm?"

Nachdem ich den Damen 3 und 4 den Unterschied zwischen Peter L. Eppinger (3. Staffel, 2008) & Peter Tichatschek (4. Staffel, 2009) erklärt und für meine überragende Sachkenntnis viel Lob geerntet habe, fragt mich endlich Dame 1: "Sagen Sie mir nur eines, wie merken Sie sich das alles, Herr Pirchner?"