Making Weepie!
Diskurs-Tsunami, bitte anschnallen! Bei der Beobachtung der aktuellen Gender-Debatten beschleicht einen der Verdacht, ein Ticket für eine grausame Zeitreise gelöst zu haben. Zwischen "Testosteron, go home" und "Wer genau hat diese Heulsusi von Mann bestellt?" befetzen sich feministische Furien, Bobo-Grüblerinnen, grundgekränkte Hausmänner und Burnout-zermürbte Manager, die jetzt auch einmal nicht mehr tüchtig sein wollen. Schon im Alter von zwanzig habe ich in Redaktionsstuben Glaubenskriege à la "Wieviel Softie verträgt so ein Macho?" zu führen gehabt. Wir sind keinen Zentimeter weitergekommen. Ich klopfe einmal bei der nächsten Generation an. "Fortpflanz", rufe ich in das Zimmer, in dem auch andere Girlies zwischengelagert sind, "was muss denn so ein Mann in etwa draufhaben?" "Opfer gehen gar nicht", nölt eine. "Opfer wovon – den Umständen, einer Lawine?" "Mama, du kapierst wieder einmal gar nichts", keppelt der Fortpflanz zurück, "Opfer ist einer, der nichts gebacken kriegt." "So ein dauerkiffender Loser halt!", kriegt sie Schützenhilfe von einer mit akuter Krise, weil ihr "dieser Vollspast" mit einer 15-Jährigen durchgebrannt ist. "Ist ein Weepie, also einer, der manchmal weint, auch ein Opfer?", will ich wissen. "Ist ok, wenn er flennt, wenn wir ihn verlassen haben", macht sich eine zum Sprachrohr der Generation Gnadenlos, "oder wenn im Kino die Heldin stirbt. Voll daneben ist Weepen, wenn seine Mutter stresst oder der Regenwald schlecht drauf ist" – "Und wie sollen sich eure Typen da nur auskennen?" – "Wenn er sich nicht auskennt, muss er sowieso besser allein zu Hause weepen." Affirmatives Gekicher. Angesichts der Stahlbäder dieser 17plus-Prinzessinnen bin ich bei euch, ihr Buben, wenn ihr mit 15- Jährigen durchbrennt. Denn bei denen hier gilt: Küssen geboten, aber besser nur mit Beißkorb.
polly.adler(at)kurier.at
Kürzlich erschienen: der erste Polly-Adler-Roman "Venus im Koma"