Hotel Mamma mia!
Von Polly Adler
Sie seufzte nach Art der vom Leben enttäuschten Hausfrauen.
über das Hotel „Mamma mia!“.
Mitten aus der Menge jener Frauen, die ungeahnte und kostspielige Varianten der Farbe Beige an ihren Körpern hatten und den Konversationsmodus auf Wie-geht’s-dir-lange-nicht-gesehen-gut-schaust-du-aus gestellt hatten, schoss sie auf mich zu, die Mutter einer Fortpflanz-Busenfreundin. Sie drückte mich intensiv an sich: „Danke, danke, danke!“ Ich wusste nicht, was die Ursache für diesen Zuwendungs-Orkan war. Sie zwitscherte: „Alina ist wieder eingezogen! Und das haben wir nur deiner Stella zu verdanken.“ Wie sich herausstellte, hatte der Fortpflanz Alinas Abnabelungsversuchen in Form eines WG-Zimmers jenseits des Gürtels mit einem radikalen Coaching ein jähes Ende bereitet. „Ali“, hatte sie ihr zugeraunt, „bist du völlig bescheuert! Jetzt hast du eine Top-Adresse, einen nachhaltig gefüllten Kühlschrank und um deine Wäsche kümmert sich eine reizende Dame. Du solltest alle Energien ausschließlich dazu verwenden, um dich auf eine sorgenfreie Jugend zu konzentrieren. Schlecht essen und chaotisch wohnen wirst du in deinem Leben noch ausführlich können.“ Als ich gegen Mitternacht nach Hause kam, saß das Kind im Wohnzimmer ihres Hotels „Mamma mia!“ und sagte ganz unchillig: „Weißt du, dass du in dieser Woche noch keinen Abend zu Hause warst? Ich habe ein Curry gekocht und zwar mit viel Liebe, jetzt ist aber leider nichts mehr da. Ich habe die Burschen aus der WG im Nachbarhaus eingeladen, die essen doch nie anständig.“ Sie seufzte nach Art der vom Leben enttäuschten Hausfrauen. Italienische Verhältnisse! Unlängst habe ich in der Zeitung gelesen, dass römische Eltern ihren 55-jährigen Sohn aus der Wohnung zwangsentfernen ließen, weil Papa, 83, endlich seinen Hobbyraum wollte. Alles sehr ungesund. Aber ungesunde Sachen sind leider eben oft auch richtig nett.
polly. adler[at]kurier.at
Polly Adler spendet in „Adieu Fortpflanz“ Trost und Ratlosigkeit von der Erziehungsfront und erzählt, warum man sein Kind zwar immer liebt, aber manchmal dennoch nicht leiden kann.
240 Seiten, 22,95 Euro bei www.thalia.at