Gute Laune für immer durch Colette
Von Polly Adler
In Wien wird man mit Sicherheit wieder in das große Jammertal geschubst werden.
über Rückkehr
Ich küsste die Stadt, in der ich einen Monat lang Unterschlupf gefunden hatte, ein letztes Mal auf die Stirn und flüsterte: „Adieu, meine Teuerste – es war schön mit dir!“ Als ich in die Droschke stieg, winkte mir der Kellner mit dem Gesicht eines jungen Wolfes aus dem „No-Stress-Café“ noch einmal zu und rief: „Madame! Wie schade! Bessern Sie sich bloß nicht!“ Ich radebrechte zurück: „Keine Angst! Ich würde mich ohnehin nur dabei verletzen!“ Während das Taxi beim Palais Royal an der früheren Wohnung der Schriftstellerin Colette vorbeirauschte und der Himmel sich zu einem dramatischen Pink verfärbte, musste ich an ihr poetisch-bitteres Alters-Resümee denken: „Ich hatte ein so schönes Leben, nur bin ich leider viel zu spät draufgekommen.“ Diesen Satz werde ich im Plauder-Nähkästchen an einem Ehrenplatz mit Warnblinkanlage aufbewahren, denn in Wien wird man mit Sicherheit wieder in das große Jammertal geschubst werden. Lamento an allen Fronten – das Sauwetter, die Krise unserer, eigentlich aller Branchen, die aktuellen, ehemaligen und auch die Leider-nein-Lebensabschnittspartner, die matten Spritzer, die hirnrissige Handyprovider-Hotline, die blöde Lactose, die Sinnlosigkeit des Daseins an und für sich. Danke, nicht mit mir. Ich habe beschlossen, für den Rest meines Lebens gute Laune zu haben.
Das kommt nicht überall gut an. Als ich vor unserem Wohnhaus aufschlage, grantelt mir der Fortpflanz bereits entgegen: „Mutter! Sei bitte nicht so fröhlich! Das nervt. Und wie siehst du überhaupt aus? Ist das die Ja-ich-möchte-meine-Midlifekrise-mit-euch-allen-teilen-Frisur? Und wieso trägst du in deinem Alter Ringelshirts?“ Ich nahm die kleine Miesepetra ganz fest in die Arme und sagte nur: „Schatzi, es ist schön, wenn nicht sogar fantastisch, dich so lange nicht gesehen zu haben!“
polly.adler[at]kurier.at