Die Leiden des Putzmanns
Von Polly Adler
Die Frauen, Madame, die Frauen ...
über Sprachkurse, die das Leben schreiben.
Der im Mietpreis inkludierte Pariser Putzmann machte eine Erschöpfungspause. Ich reichte ihm eine Apfel-Tarte. Er: „Ich kann nicht.“ – „Warum?“ – „Die Frauen, Madame, die Frauen ...“ Begleitet von matten Wischbewegungen goss er sein Leid vor mir aus. Das Internet sei das Killervirus für die Liebe. Wenn endlich eine nach dem „Schreibtheater“ Herd- und Bettbereitschaft zeige, braucht es nur eine winzige Irritation und schon schicken sie einen nach „Tataouine“. Wie ich später herausfand, war das eine Militärkolonie im finstersten Tunesien, die für ihre grausamen Sitten berüchtigt war. „Man ist wie ein technisches Gerät im Supermarkt“, seufzte er, „funktioniert man nicht, machen sie sich auf zum nächsten Regal.“ Nachdem der Putzmann mir nicht nur sein letztes Drama, sondern auch das seines Freundes, den Schlaganfall seiner Mutter und seine Gastritisproblematik geschildert hatte, war die Wohnung nicht sauberer, aber mein Wortschatz reicher. Eine Art Berlitz des Herzens und viel billiger: einfühlsame Gespräche mit Jedermann. Am Ende meines Monats kannte ich alle Haustiere der Putzerei-Chefin mit Vornamen, wusste, dass der Bäcker an Schlafstörungen litt, die Schokolade-Königin des Viertels ihren Mann in die Wüste schicken wollte und hatte es sogar geschafft, der mürrischen Greißlerin im Haus ein paar Sätze zu entlocken. Wahrscheinlich auch deswegen, weil ich ihr die Kaffeevorräte aus der Zwischenkriegszeit abgenommen hatte. Als ich abreiste, umarmte mich der Putzmann, als ob wir glücklich miteinander verwandt wären. Er verweigerte sogar jegliches Trinkgeld: „Danke, danke, danke. Seit Jahren hat mir niemand so aufmerksam zugehört. Dank Ihnen fühle ich mich jetzt stark genug, den Frauen die Zähne zu zeigen.“ Ob das sein marodes romantisches Leben aufpeppte, konnte ich bis dato nicht überprüfen. Tant pis!
polly.adler@kurier.at