Meinung/Kolumnen/Chaosdeluxe

chaos DE LUXE: Stuhlbeschwerden

Bitte, bitte, greif den Stuhl nicht an!", sagte E mit schreckensgeweiteten Augen. Wir befanden uns im Lift ihres Hauses und ich wollte Einkaufstaschen darauf abstellen. Ich hob meine Arme zu einer Geste, die FBI-Profiler zur Beruhigung von durchgeknallten Serienkillern anwenden. "Schschsch, alles chillikofsky! Aber warum eigentlich nicht?" – "Dieser Stuhl ist der Gaza-Streifen des Hauses. Es gibt die Sessel-Partei, die seine Anwesenheit in unserem Aufzug als echte Bereicherung empfindet. Und die steht im Dauergefecht mit der Stuhlbeschwerden-Fraktion, die ihre Bewegungsfreiheit im Lift empfindlich eingeschränkt sieht."

Jetzt sah ich erst die Zettel, die an den Wänden des Aufzugs klebten. "Verfluchte Sesselkleber! Wenn ihr kein Stehvermögen habt, dann bleibt doch zu Hause!" stand da oder "Ihr Sitz-Faschisten! Wer diesen Stuhl widerrechtlich entfernt, muss mit dem Schlimmsten rechnen!" Denn immer wieder war es laut E in den letzten Wochen zu Stuhl-Kidnapping gekommen. Dieser war schon das fünfte Exemplar im Sitz-Krieg; die vorangegangen "casualties of war" waren nie wieder zurückgekehrt, geschweige denn, dass sie Briefe aus der Gefangenschaft geschickt hätten. "Bomben-Hausgemeinschaft!", sagte ich und trachtete sorgfältig danach, diese Möbel-Helena beim Verlassen des Lifts nicht zu berühren. E flüsterte: "Ich gehöre übrigens zum linken Außenflügel der Pro-Stuhl-Partei. Denn wenn man hier nicht Position ergreift, hat man die Hölle auf Erden." Ich nickte äußerst verständnisvoll: "Alles völlig logisch. Aber wenn ihr das hier mit dem Sessel-Konflikt einmal klar kriegt, können sich die Hüter von weit unbedeutenderen Krisenherden wie dem Irak oder Afghanistan ein leuchtendes Beispiel nehmen. Fordert doch einfach einmal ein paar Blauhelme von der Sitzgelegenheiten-UNO an!"

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