chaos DE LUXE: Alte, freche Mädchen
Unlängst hatte ich das Vergnügen, auf der Buchmesse Erni Mangold kennenzulernen. Wir sollten Bitte-recht-freundlich-sein!-Gesichter machen und der Fotograf bat sie, etwas näher zu mir zu rücken. "Na wirklich net", kläffte die Schauspielerin, "sonst glauben noch alle, dass wir ein Pantscherl miteinander haben." - "Wär auch kein Schaden ..." Jetzt musterte sie mich kritisch von oben bis unten und merkte dann staubtrocken an: "Ehrlich gesagt: Sie wären mir eigentlich schon ein bisserl zu alt." Die von mir zeitlebens verehrte Volksschauspielerin, die in der Sportart Blatt-vor-den-Mund-Nehmen noch nie besonders talentiert gewesen ist, zählt auf dem Papier 84 Jahre. Nur haben weder ihr Gesicht, noch ihr Geist und schon gar nicht ihr Körper die leiseste Ahnung von dieser Tatsache. Ich schlug die narzisstische Kränkung der entgleitenden Wettbewerbsfähigkeit einfach mal in den Wind und beschloss, mich ganz auf die Freude zu konzentrieren: die Freude, dass man auch im Spätherbst des Lebens wie ein freches Mädchen durch das Dasein tollen konnte - ohne dabei auch nur im Geringsten in die Gefahrenzone eines peinlichen Jugendwahns zu tappen. Das Geheimnis der Zeitlosigkeit liegt in der Fähigkeit, die Zeit zu ignorieren. Und darin, sich bei Arbeit, Sport und Spiel nie mit dem Status des Zaungasts zu begnügen. Nicht aufregen kann man sich schließlich, wenn man tot ist. Ich erinnerte mich an einen Nachmittag mit Dr. Ruth Westheimer, der berühmtesten Sextherapeutin auf diesem Planeten, 83 Jährchen jung. Wir saßen beim Demel, köpfelten in Fragilités und ich fragte sie: "Ist Essen jetzt der Sex des Alters oder nicht?" Sie sah mich sehr streng an und antwortete: "Kinderle, Sex ist der Sex des Alters. Punktum!"www.pollyadler.at polly.adler(at)kurier.at
Buchtipp:
"VENUS IM KOMA" - DER ERSTE POLLY ADLER-ROMAN ERSCHEINT Polly läuft - und zwar aus dem Ruder. Trotz Basislager bei der Paartherapeutin will sich ihr Mann Max plötzlich unerhörterweise selbst verwirklichen - und zwar so ganz ohne Polly. Die Tochter Resi pubertiert bis zum Anschlag und behandelt ihre Mutter wie eine lästige Stalkerin. Und als Reporterin an der Society- Front beißt sich Polly an einer durchgeknallten Aristo-Mischpoche die Zähne aus. Ja, und irgendwo gibt es noch einen Pleite-Bankier, der Polly entführt, um irgendwie zu überleben. In jedem Fall ist Pollys Leben sauanstrengend. »Deine Venus ist im Koma!«, kann da ihre astrologieverseuchte Freundin Gerti nur immer wieder feststellen. Jetzt wird Österreichs Kultkolumnistin Polly Adler endlich zur Romanheldin, in deren Stöckelschuhen man keinesfalls stecken möchte. Eine erzählerische Tour de force, in der die Society-Pappnasen der Republik bis zur Kenntlichkeit entstellt werden. Ab Ende Oktober im Handel.