Altersgemäßes Unglück
Er war wieder einmal am Ende. „Diesmal ist es wirklich aus, mein emotionaler Akku ist einfach zu leer“, sagte K. Wir mobilisierten all unsere Kräfte, um Anteilnahme schwingen zu lassen. Es gelang uns nicht wirklich. Schließlich hatten wir diesen Satz in den letzten Monaten so oft gehört wie die Wettervorhersage. „Vielleicht“, raffte F sich jetzt auf, „solltest du einmal in einer anderen Altersklasse dein Unglück versuchen.“ Mattheit war kein Ausdruck für seine Stimmlage: „Ich mag keine alten Frauen.“ – „Aber zwischen 22 und der Generation Menopause ist doch noch Spielraum “ – „Mhmmm ...“ – „Was versprichst du dir eigentlich von diesen blutjungen Frauen, die dir ständig erklären, was du für ein alter Sack bist und dass du den Staub küssen musst, damit sie ihren Luxusleib überhaupt in deine Greifweite lassen ?“ – „Idiotischerweise wahrscheinlich eine künstliche Verlängerung meiner ohnehin verschwundenen Jugend.“ Wir kicherten. Denn so grau, verzweifelt und weit jenseits seiner Jahre hatte K, ehe er im Würgegriff dieser erratisch hysterischen Medizinstudentin stand, eigentlich nie ausgesehen. Und tatsächlich: Beim näheren Nachdenken gilt für alle Midlife-Männer, die sich Nymphen mit wenig Kilometern am Lebenstacho um den Bauch banden – sie sehen neben ihrer jugendlichen Begleitung weitaus mitgenommener aus als notwendig. Das trifft natürlich auch für jene Cougar-Frauen zu, die ihre Toyboys so stolz wie die It-Bag der Saison am Arm baumeln haben und der Welt sagen wollen: „Das Botox für meine Hormone sieht so aus!“ K erwartete sich noch immer Trost. „Respektiere deine Vergänglichkeit“, sagte F jetzt streng, „und schlaf dich langsam hoch – in unsere Zielgruppe!“ Sein Enthusiasmus für diese Strategie der Vernunft war so groß, dass man ein Mikroskop brauchte.
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Polly Adlers neuer Roman "Wer jung bleiben will, muss früh damit anfangen"…
Der erste Polly-Adler-Roman "Venus im Koma"