Meinung/Kolumnen/chaos DE LUXE

#Proudtobeaproblem

Eher nicht. Ich war mir nie besonders sympathisch.

Polly Adler
über die Freundschaft mit sich selbst

Etwas, was ich dich schon lange fragen wollte: Bist du eigentlich mit dir befreundet?“ -– „Eher nicht. Ich war mir nie besonders sympathisch.“ Schön trocken, die dahingeschleuderte Antwort von Elisabeth Heller an ihren Sohn André/Franzi. Und was für ein wohltuender Kontrast zu diesem Selbstfindungs-Phrasenschrott, mit dem man ständig zugemüllt wird: „Ich habe meine Mitte gefunden“, „Ich bin in mir angekommen“, „Der Rest meines Lebens beginnt genau jetzt.“ In der Gesichtsbücherei und bei den Instagram-Opfern folgt dann üblicherweise noch ein Rattenschwanz von englischen Hashtag-Idiotien: #luckyme #lovemylife #happytimes #bestbaby/hubby/friend #lifelovesme etc. Dieser Positivismus-Terror regt mein Aggressionspotenzial an. Nichts wie weg aus diesen Gedanken! Zurück zu Hellers Gesprächen mit seiner Mutter, 102, die jetzt zwischen zwei Buchdeckeln wohnen. Man erfährt dort viel Tröstliches: Dass man von dem Mann, wegen dem man den Freitod einst ernsthaft angedacht hat, im hohen Alter nicht einmal mehr den Namen weiß. Dass die, die sich zu ernst nehmen, sehr schnell lächerlich werden. Dass man sich selbst durchaus immer wieder ein bisschen frotzeln sollte. Ich könnte die Eingangsfrage über die Auto-Freundschaft übrigens mit einem dünnstimmigen Ja beantworten.
Seit ich einen Streichelzoo für meine Schwächen eröffnet habe, läuft es ganz gut mit mir und mir. Mögen muss man sich deswegen nicht gleich, lieben vielleicht, aber nur an ungeraden Kalendertagen. Mögen erscheint mir dann doch etwas übertrieben. Wir wissen doch: Dauerhafte Harmonie und glückhafte Symbiose sind in jedem Fall der Todesstoß für die Kreativität und der Humus für Langeweile und Stillstand. Auch wenn man dabei nur sich selbst ausgeliefert ist. #lifesucks #fuckpositivesdenken #proudtobeaproblem #noangermanagement. Fühlt sich doch gut an, oder?

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