Magdas Universum
Von Polly Adler
Jede Nacht das gleiche Spektakel: gegen elf klopft die alte Frau, die im Ayurveda-Camp auf Sri Lanka mir gegenüber wohnt, mit vollem Karacho an meine Tür und brüllt strafverschärfend in Schwyzerdütsch: „Hilfe! Ich bin ausg'raubt worde! Es hat keine Fränkli mehr in meinem Safe.“ Da „Grundgüte“ manchmal mein zweiter Vorname ist, folge ich ihr an den Ort des Verbrechens. Etwas, wovon ich schon längst Abstand genommen habe, ist der 82-jährigen Magda nämlich enorm wichtig: Sie will ernst genommen werden. Also durchkämmen wir das Zimmer und wie immer hat sie ihre Geldbündel in den Bettlaken und diversen Handtüchern versteckt. Und wie jedes Mal kommentiert sie die Funde empört: „Solche Luder, raffinierte! Da verstöcken sie ihr Diebesgut!“ Magda vergisst ständig alles: Ihre Badeschlapfen, die Schlüssel, ihre Handtasche. Im Dorf nennen sie sie nur „the crazy old lady“. Ich kampftrainiere Geduld und hämmre mir ein: „Sie könnte auch deine Mutter oder Großmutter sein.“ Als sie mich zum siebenten Mal nach dem Verbleib ihres Handys fragt, reißt mir der Faden: „Magda, vielleicht musst du einfach akzeptieren, dass dein Hirn ermüdet ist und du viel vergisst.“ Jetzt sah sie mich sehr streng an und tippte sich an die Stirn: „Bei dir sind wohl ein paar Schräubli locker.“ Da begriff ich, dass manche Menschen in ihren Parallel- universen einfach nicht gestört werden wollen. Über uns fetzte ein Flugaffe in den Palmen. „Wahrscheinlich sind es die Affen, die alles verschleppen.“ Sie antwortete froh: „Was ich immer sage!“www.pollyadler.at