Meinung/Kolumnen/chaos DE LUXE

Ein Drama, ein solches Drama

Lamento über den drohenden Puritanismus

Polly Adler
über ein Drama, ein solches Drama

Ein Drama, ein solches Drama“, seufzte K, „kein Mann schaut einem mehr frech ins Gesicht, null Taxierungsaufkommen. Ich komme mir schon wie ein totales Neutrum vor. Ich glaub, ich muss dringend nach Südamerika.“ – „Baby, das hat ...“ – „Siehst du, da hast du's“, unterbrach sie mich, „wie oft sagen wir Baby, Schatzi, Süßer zu einem Mann, ohne dass wir ihn gleich niederschmusen wollen. Alles vorbei. Vor uns liegt ein graues Land des Neo-Puritanismus ...“ Ich nahm erneut einen Anlauf: „Schätzchen, wir sind über 50, passen also maximal in das Beuteschema von Rollatorfahrern – im Männerverständnis natürlich. Entsprechend schütter werden die begehrlichen Blicke.“ Sie blieb trotzig: „Du vielleicht ... Ich fühle mich innerlich wie 35 ...“ Jetzt mischte sich F aus Tokio in unsere Mitte (sie war Börsenmaklerin und in ständiger Alarmbereitschaft): „Wisst ihr, was mir ein Ami erzählt hat? In Japan schreien die Frauen beim Sex ständig ,Nein, nein’. Das gehört dort quasi zum guten Beischlafston. Als zivilisierter Feminist hat er natürlich sofort aufgehört, was die Japanerin als harsche Beleidigung empfand.“ -– „Arme Kerls“, seufzte K, „nur weil sich ein paar Idioten wie brunftige Gorillas benehmen, muss sich ein ganzes Geschlecht zu Lianen-Plumpsern stigmatisieren lassen. Wie wird es je wieder zu einem Prickeln kommen in dieser Political-Correctness-Wüste?“ – „Im 19. Jahrhundert haben die Damen einen gepflegten Ohnmachtsanfall hingelegt, um den Herren den Willen zur Kontaktaufnahme zu signalisieren“, übte ich mich in Nostalgie, „und dann kamen die mit den Riechfläschchen angetanzt.“ – „Hübsche Idee, aber kontraproduktiv“, resignierte K, „beim pittoresken Fallen breche ich mir sicher alle Knochen. Alles ein Drama, ein solches Drama.“ Dann verlangte sie nach ihrem Mops „Leutnant Gustl“ und noch mehr Makronen. Ein Quantum Trost zumindest.www.pollyadler.at polly.adler@kurier.at