Meinung/Kolumnen/chaos DE LUXE

Die Betriebsanleitung

Das Wort Wandern hat auf mich den gleichen Effekt wie Schrotsalven auf Saatkrähen.

Polly Adler
über eine seltsame Betriebsanleitung

Auf ihrem Tisch lagen A4-Seiten, die wie die Listen eines Struktur-Junkies aussahen. Ich war eigentlich gekommen, um mich von L zu verabschieden. Sie wollte nach Salzburg ziehen. Der Umzug fand, wie sie häufig betonte, „der Liebe wegen statt“. Ich habe den Herren nicht kennengelernt, sie waren sich vor einem Theaterbuffet bei einem Feydeau in die Arme gestolpert. Sie sagte: „Das ist eine Betriebsanleitung, die ich über mich verfasst habe. Eine Art Abkürzung, die ihm und mir möglicherweise viel Schweiß und Ärger ersparen wird. Schließlich sind wir alle in einem Alter, in dem sich schon einige Schrullen angesammelt haben ...“ Auf der ersten Seite stand zu lesen:
– Für Morgenkonversationen bin ich nicht zu haben, Gespräche bitte erst ab zehn Uhr.
– Das Wort Wandern hat auf mich den gleichen Effekt wie Schrotsalven auf Saatkrähen. – Ich brauche viel Kunst in jeder Form. Sätze im Museum wie „Das soll bitte Kunst sein?“ oder „Das kann doch jedes Kind“, bringen mich weit über die Palme. – Bitte keine Babysprache, wir sind erwachsene Menschen.
– Auf dem Nachtkästchen herrscht Dan-Brown- und Donna-Leon-Verbot.
– Wenn mich eine Wespe gestochen hat, bitte sofort den Notarzt verständigen.

Ich raschelte entsetzt mit dem Papier: „Aber, L, Betriebsanleitungen sind für Plasma-Fernseher! Und die Liebe keine Check-Liste!“ Ich sagte nicht, dass ich anstelle des Herren sofort die Beine unter die Achseln klemmen würde, drückte man mir ein solches Controlfreak-Manifest in die Hand. Sie schickte mir einen verächtlichen Blick: „Du bist eine so naive Romantikerin, dass man schreien möchte. Wir sind zu alt, um dem Zufall die Regie zu überlassen.“
In einem Song von Passenger heißt es: Du lernst die Menschen erst kennen, wenn du dich von ihnen verabschiedest. Jetzt war wieder einmal so ein Moment.

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