Der Sommer in den Knien
Von Polly Adler
De facto ist der Körper alles andere als ein Trottel.
über eine Schutzbefohlene namens Lebenszeit.
Moll-Gefühle. Denn es ist jene Zeit im Jahr gekommen, wo man dem Sommer einen Abschiedskuss auf die Stirn drücken muss. Zu diesem Behufe schultere ich meine Zille und steche in See, also auf die Alte Donau.
Aus meiner kleinen, zitronengelben Stereobox knattert Herr Heller: „I mecht seh'n, wie da Summa in die Knia geht ...“ Ich nehme einen letzten „Cowboyschluck“ (©Herr Ernsti) aus dem Rosé-Fläschchen und flüstere dem Sommer: „Alter, danke, diesmal keinerlei Beschwerden. Nur pass mir bitte im nächsten Jahr auf die guten Kräfte besser auf.“
Denn es hat ein paar mir sehr wertvolle Menschen von der Spur geworfen. Diagnose: zu lange nicht auf sich aufgepasst, die Zeichen, die der Körper setzte, ignoriert. Denn de facto ist der Körper alles andere als ein Trottel, er verfügt über ein ausgeklügeltes Warnsystem. Nur Männer blenden die Signale, statistisch betrachtet, vier Mal länger aus als Frauen, ehe sie den erwachsenen Satz sagen: „Ich bin kein Indianer, deswegen kenne ich Schmerzen.“ Deswegen ziehen sie auch die kürzere Lebensdauer. Wenn der Stress sich in meinem Leben zu wichtig macht, zeige ich ihm den Mittelfinger, in dem ich alle Kommunikationsgeräte auf ein Sabbatical schicke, „Oblomov“ lese (der erst auf Seite 147 überhaupt erst einmal seinen Morgenrock zu lüften beginnt) und mich in der Kunst, sich produktiv zu langweilen, übe. Ich vermeide großräumig Smalltalk. Smalltalk ist einfach ein solcher Energieräuber, wenn ich an all die Wie war dein Sommer gut schaust du aus und er wird das Match am 15. Oktober gewinnen wir müssen uns endlich einmal sehen what'sappen wir uns zam-Gespräche denke, die der Herbst so mit sich bringt, erfasst mich schon im Voraus bleierne Müdigkeit. Denn die eigene Lebenszeit ist eine Schutzbefohlene, auf die man wie ein Pitbull der nervösen Sorte aufpassen sollte.
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