Der Herbst der kreuzfidelen Patriarchin
Von Polly Adler
Der Fortpflanz wurde jüngst 22. In dem Alter hatte Rockefeller schon seine erste Million verdient, Thomas Mann steckte mitten in den „Buddenbrooks“ und die Beatles in ihrem ersten Burn-out. Und wir streiten uns noch immer auf Strindberg-Niveau darum, wer Joseph Beuys die Honneurs macht und die nasse Wäsche aufhängt. Den Scherz würde das Kind aber leider nicht verstehen, denn Herr Beuys fiele bei ihr sofort in die Kategorie „Voll-sinnlos-und-irgendwas“. Ihr „Hey-Welt-hier-bin-ich“-Jubiläum fällt auch in jene Jahreszeit, in der man sich als fortgepflanzter Achtel-Promi anlässlich des Weltmuttertags in diversen Medien über seine Muttergefühle äußern soll. Da fallen immer wieder Worte wie die „höchste Erfüllung“, „Geburt als der wichtigste Tag in ihrem Leben“, „Krönung eines Frauendaseins“. Liebe Medien-Mädels, tut leid, bei mir war alles viel weniger Laura Ashley, sondern mehr Simpsons. Bereits in den Wehen stand ich, weil Sitzen war nicht mehr möglich, gebückt am Tisch und verfasste eine cunnilinguistische Abhandlung für ein schlüpfriges Männermagazin, in dem ich unter einem Pseudonym ordinierte und dreckige Geschichten schrieb. Es war ein ziemlicher Woody-Allen-trifft-Bridget-Jones-Moment, mit dem alles begann, und eigentlich hat er bis heute angedauert. Und, nein, ich werde mich nicht entleiben, wenn das Kind irgendwann seinen Ranzen packt (vielleicht schon mit 27?) und ich sein Audienzzimmer zu einer Bastelstube oder einem Aufenthaltsraum für gut aussehende Freiheitskämpfer exotischer Herkunft ummodele. Und dann freue ich mich darauf, dass es Gremlins in die Welt setzen wird, die einem (nämlich vor allem mir) so viel zurückgeben und die man abends auch wieder, dieser Punkt ist sehr wesentlich, zurückgeben kann. Diese Gremlins dürfen mich natürlich dann nie „Oma“ nennen, sonst spielt’s Ramona und keine Apfeltaschen. Und der Arbeitstitel dieses Lebensabschnitts heißt bereits jetzt: „Der Herbst der kreuzfidelen Patriarchin.“polly.adler@kurier.at