Alarmstufe „Ich weiß nicht”
Von Polly Adler
Von den vielen Fragen, die mir das Universum bislang nicht beantworten konnte, brennt mir eine besonders im Zentralnervensystem: Warum in aller Welt müssen Halbwüchsige ständig chillen? Ich meine, die sind doch freiberuflich, also frei von Beruf, auf der Höhe ihrer Kräfte, in der Regel verschont von jeglichen Existenzkämpfen und so groß auch wieder nicht, dass man Wachstumsschübe für diese Begeisterung, dauerflachgelegt der Dinge zu harren, als Ausrede gelten lassen könnte. Möglicherweise sind sie allein durch ihre konsequente Entscheidungsschwäche so ur-ur-erschöpft, dass man ihnen dringend halbe Zahnstocher unter die Lider klemmen sollte, damit sie die Augen offen halten können. Wenn es einen Satz gibt, der mich auf allerhöchste Palmenstufe bringt, wenn ich vom Fortpflanz schwer wiegende Entscheidungen wie „Isst du heute zu Hause?“ oder „Bunt- oder Schwarzwäsche in die Maschine?“ verlange, dann ist es „Ich weiß nicht“, knapp gefolgt von „Muss ich mich jetzt stante pede entscheiden?“ oder „Nicht jetzt, später.“ Sie wissen wirklich alles nicht, diese 22-Somethings – nicht, was sie wählen, studieren, werden, ob sie ausziehen, wem sie in die Fresse hauen oder welche Eissorte sie in ihr Stanitzel wollen. Und irgendwann werden diese Fratzen durchgechillt bis zum Anschlag auf einer Parkbank mit prächtigem Blick auf den Friedhof ihrer versäumten Möglichkeiten sitzen und ihrer Melancholie mit der Erkenntnis „Wir hätten früher aufhören sollen, später zu sagen“ einen Kickstart verleihen. Der Fortpflanz knallte mir unlängst den Link der grandiosen Band AnnenMayKantereit (alle um die 20) und ihrer Versäumnisballade „21, 22, 23“ auf den iKnochen. Ich konnte den Text sehr bald sehr auswendig, besonders die Refrain-Zeilen: „Du hältst deine Träume absichtlich klein, nur um dann nicht enttäuscht zu sein.“ Das Kind hassliebte mich dafür.