Pfeift! Aber schweigt!
Von Anita Staudacher
Die zwölf EM-Schiedsrichter – warum eigentlich keine Frauen? – können einem schon leidtun: Jahrelange harte Feldarbeit, um überhaupt für Höheres wahrgenommen zu werden; tagelanges, intensives Fitness-Training im UEFA-Wintercamp, stundenlange öde Theoriesitzungen über gruppendynamische Effekte Roter und Gelber Karten; und jetzt das: Schweigegelübde während der gesamten Dauer der EM. Den Maulkorb verpasste UEFA-Oberschiri Pierluigi "Glatze gnadenlos" Collina, der mit dem strikten Interview-Verbot die Richter in kurzen Hosen vor dem Druck der Öffentlichkeit nach möglichen Fehlpfiffen abschotten will. Nur für euer Pfeiferl, nicht aber zum Reden mit bösen Schreiberlingen sollt ihr eure Münder öffnen! Kontakte zu Medien und Kommentare aller Art in der Öffentlichkeit sind während der EM strikt verboten. Schließlich sollen Schiedsrichter Fußballspiele leiten und ... basta. Eben. Schon richtig, Signor Collina. Es könnte ja passieren, dass Muskelprotz-Referee Howard Webb einem Schmierblatt verrät, wie viele Hanteln er täglich schwingt. Ein biederer Outwachler ungefragt via Twitter postet, dass er Cristiano Ronaldo sexy findet, oder der gelernte Bankkaufmann Wolfgang Stark gar Kritik am Sparkurs der Regierung Monti übt. Ja, wo kämen wir denn da hin? Schon richtig, Signor Collina. Seien Sie wachsam! Achten Sie darauf, dass nur Sie Ihre Glatze gekonnt in Szene setzen und sich millionenschwer vermarkten. Zeigen Sie im Auftrag von Snickers weiterhin dem Hunger die Rote Karte. Zücken Sie die Mastercard nur dann, wenn Sie genügend Geld dafür bekommen und fragen Sie beim Fußballausrüster Diadora doch wieder einmal nach, ob die Hauptrolle im nächsten Werbespot noch frei ist. Wäre ja noch schöner, wenn ein zweiter Schiedsrichter zum Medienstar avanciert. Ganz ehrlich: Unparteiisch sieht anders aus. Anita Staudacher ist Redakteurin in der KURIER-Wirtschaftsredaktion.