Meinung/Kolumnen/Auf den Punkt gebracht

Torte 7

Zur Ablenkung gab es Schmuddel-Heftchen

Mag. (FH) Johannes Weichhart
über den Grenzeinsatz einst und heute

Immer, wenn sich die Herbstkälte über das Land legt, muss ich an das Jahr 1998 zurückdenken. Damals rückte ich zum Bundesheer ein, ein paar Wochen später rannte ich als halbnackter Bewaffneter beim Morgensport durch die Wälder Allentsteigs und sang merkwürdige Lieder ("Früher fuhr ich BMW, heut’ tun mir die Füße weh").

Im Frühjahr 1999 fand ich mich auf einem Acker im Burgenland wieder. Grenzeinsatz. Eiswind. Viel Gegend. Auch einen jungen Wiener hatte es dorthin verschlagen. Jetzt saßen wir auf einer Zeltplane und starrten in die Nacht. Torte 7 hieß unser Posten, ab und zu knarzten die Funkgeräte und wir mussten Meldung machen. Der Befehl lautete, dass wir nach illegalen Grenzgängern Ausschau halten und sie stoppen sollten. Immer wieder tauchten Familien auf, die stundenlang durch den Schnee gestapft waren. Mütter beruhigten ihre völlig durchfrorenen Kinder, die nur mit leichten Pullis und Turnschuhen bekleidet waren. Wurden die Personen aufgegriffen, setzte man sie in den Zug und schickte sie wieder zurück. Ein paar Tage später versuchten sie erneut ihr Glück. So ging es immer hin und her.

Wir wurden nie gefragt, wie wir den Einsatz empfinden und erleben würden. Zur Ablenkung lagen der Feldpost Schmuddel-Heftchen bei, einmal kam ein Militärpfarrer vorbei und steckte uns Süßigkeiten zu.

Jahre später beendete die Armee den Einsatz. Viele dachten sich, das wird es nie wieder geben. Die wird man nicht mehr brauchen. Sie hatten sich geirrt. Leider.

1500 Soldaten, einige davon auch aus Niederösterreich, stehen aufgrund der Flüchtlingskrise derzeit wieder im Grenzeinsatz. Und so weit sich das bis jetzt beurteilen lässt, erledigen die Männer und Frauen ihre Aufgabe unaufgeregt und professionell. Zudem werden sie psychologisch betreut und vorbereitet.

Es gab und gibt genug Kritik an der Armee. Vieles davon ist mit Sicherheit berechtigt. Aber im Krisenfall kann man auf sie zählen. Zweifel? Fragen Sie einmal bei den Hochwasser-Opfern in der Wachau nach.

eMail: johannes.weichhart@kurier.at