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Klammermaschine

Dann verwende ich eine Klammermaschine

Mag. (FH) Johannes Weichhart
Herr R. hat wieder angerufen

Herr R. ruft grundsätzlich sonntags an. Wenn er sehr aufgebracht ist, dann mitunter auch schon vormittags. Als wir uns zuletzt hörten, wollte er sich mit mir gar nicht lange aufhalten. Er verlangte nach Chefredakteur Helmut Brandstätter oder "zumindest" seiner Stellvertreterin Martina Salomon.

Herr R. ist Erfinder. Er lebt in einem verwinkelten Haus in St. Pölten, trägt schlohweißes nackenlanges Haar, mag violette Anzüge und hat das 90. Lebensjahr bereits elegant hinter sich gelassen. Vor einigen Jahren entwickelte er eine Therapielampe mit stufenlos verstellbarem Farblicht. Als eine Art Weihnachtsgeschenk überließ er das urheberrechtlich geschützte Modell der Emmausgemeinschaft zur Produktion. Aber auch ein – wie er ihn selbst pries – revolutionärer Ellipsenzirkel und ein E-Dreiradl sind seinem Kopf entsprungen. Reich ist er damit aber nicht geworden.

Der Erfinder verfügt weder über einen Computer noch über ein Handy. Deshalb schreibt er auch keine eMails und kommuniziert manchmal auf ungewöhnliche Art.

Einmal hat sich R. fürchterlich über die Aussage eines Politikers aufgeregt. Er wollte deshalb einen Leserbrief im KURIER veröffentlicht sehen. Aus Angst, seine Schrift könnte nicht entziffert werden, kam er auf folgende Idee, die ich ihm beim besten Willen nicht ausreden konnte. Er besprach daheim eine Kassette, setzte sich ins Taxi und fuhr zu mir ins Büro. Er wollte, dass ich seine Worte auf Papier bringe. "Ungekürzt", sagte er noch und verschwand dann wieder. Weil Herr R. aber nach zehn Minuten noch immer aus dem Lautsprecher schrie, gab ich dieses Unterfangen auf. Denn Steno kann ich nicht.

Insofern hat St. Pöltens bekanntester Erfinder noch etwas gut bei mir. Herr R. wollte nämlich zur Causa Prima, dem Chaos um die Wahlkuverts, etwas loswerden. "Wenn bei mir daheim der Klebstoff nicht funktioniert, dann nehme ich einfach eine Klammermaschine."

Ich gebe das hiermit einfach so weiter.

eMail: johannes.weichhart@kurier.at