Entgiftung
Ich werde kommendes Jahr fasten
Enthaltung ist voll trendy
Ich hatte mir für die nächsten Wochen wirklich viel vorgenommen. Nein zum genüsslich geleerten Krügerl am Abend, dem Wein ganz grundsätzlich entsagen, Einführung einer Gummibärli-Obergrenze, wenig essen, was Augen hatte und wenn, dann nur aus Klangschalen. Und noch vieles mehr. Kurzum: Ich wollte die Fastenzeit für einen Großputz von innen nutzen.
Da Enthaltung "voll trendy" ist, wie die Hochglanzmagazine schreiben, braucht man auch nicht lange, um die angeblich besten Methoden zu finden. Was es da alles gibt, um seinem Verdauungsapparat eine Pause zu gönnen: Schleimfasten, Rohsäftefasten, Teekuren – einige nehmen überhaupt gar nichts mehr zu sich und ernähren sich nur noch von Licht. Nennt sich Breatharianismus, wird aber von Arzt und Apotheker nicht unbedingt empfohlen. Weil ganz ohne Nahrung geht es halt dann doch nicht. Und wenn am Ende des Fastens der Tod steht, hat man ja nicht mehr wirklich viel davon.
Voll im Trend liegt aber auch die digitale Entgiftung. Geeignet für jene Menschen, die ohne ihr Smartphone oder Tablet nicht mehr leben können. Davon soll es schon viele geben, berichten Experten. "Digital-Detox" nennen sich die Seminare, wo sich die Teilnehmer mithilfe von Yogalehrern in der Befreiung von modernen Kommunikationstechnologien üben können.
Eine Kursleiterin in Deutschland berichtet, sie hätte eine Frau kennengelernt, die seit acht Jahren ihr Handy kein einziges Mal abgedreht habe. Wie hart der Entzug für die bedauernswerte Frau gewesen sein muss, war dem Artikel leider nicht zu entnehmen.
Während ich also kürzlich durch die Stadt gehe, und im Geiste meinen Fastenfahrplan festlegen will, treffe ich zufällig einen ganz lieben Ex-Kollegen. Wir haben uns in ein Lokal gesetzt, Wein getrunken, unterhalten – und viel gelacht.
Das Ganze nennt sich Leben und soll für die Seele die beste Medizin sein. Kann ich nur sehr empfehlen. Ich werde dafür kommendes Jahr fasten.
Ganz sicher.
eMail: Johannes.Weichhart@kurier.at