Meinung/Gastkommentar

Wie Nehammer Kickl noch abfangen könnte

Da schau her: Die ÖVP besinnt sich im Wahlkampf der Mitte der Gesellschaft, mit Slogans wie „Wir, die Mitte“ und „Die Mitte stärken“. Sie warnt vor „extrem rechter oder extrem linker Politik“ und verspricht der „schweigenden, leistungsbereiten und konstruktiven Mehrheit“ eine besonders „starke Stimme“, die Nehammers. Er verspricht Sicherheit für alle, insbesondere für Frauen, Entlastung für arbeitende Menschen, Geld für Kinderbetreuung und Impulse für Existenzaufbau bis hin zum Eigenheim. Peter Filzmaier dazu in der „Krone“: „Der Haken ist, wer ihm das glauben soll. Die ÖVP ist seit fast 50 Jahren in der Regierung.“

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Es ist ein Faktum, dass die schrumpfende Mitte der Gesellschaft die wachsende Mehrheit der Sozialleistungsempfänger stützt: Von 4,1 Mio. österreichischen Haushalten sind nur 42 % (rund 1,7 Mio.) Nettozahler, 58 % sind Nettoempfänger von Sozialleistungen. Fast ein Drittel aller Beschäftigten arbeitet nur Teilzeit. Rund die Hälfte aller steuerpflichtigen Erwerbsfähigen, also rund 2,7 Mio. der österreichischen Bevölkerung, zahlen weder Lohn- noch Einkommenssteuern. Auch das Machtverhältnis zwischen Mitte und Konzernen, Politik und Finanz ist erschreckend: Während die Bevölkerung laut repräsentativer Mittelstandsbarometer-Gallup-Umfrage 2024 die Konzerne mit 76 %, die Politik mit 66 % und die Globalfinanz mit 44 % als Lobbying-Profiteure ansieht, ist der Mittelstand in diesem Ranking auf nur 4 % gesunken – der im Übrigen klar als Österreich-Voranbringer Nr.1 gesehen wird. Jeder kann sehen wie KMU aus dem Straßenbild verschwinden und Angehörige der Mittelschicht in Schwierigkeiten kommen. Über ein Drittel der Menschen in Österreich sehen in keiner der Parteien eine Mittelstandspartei.

Die Frage lautet also, wieso hat die angestammte Mittelstands-Partei ÖVP zugelassen, dass die Mitte überhaupt erst in eine so schwache Position geraten ist? Wie kann sie dennoch die Mitte gewinnen? Umverteilung von Mitte zu Arm und Reich rückgängig machen Mein persönlicher Tipp an Kanzler Nehammer, damit unternehmerischer Mittelstand und angestellte Mittelschicht der ÖVP wieder vertrauen können: Sie sollten sich dafür entschuldigen, dass die ÖVP jahrzehntelang dem Druck der Sozialdemokratie, „Too big to fail“-Konzerne und sonstiger starker Lobbys nachgegeben hat und dabei einer Umverteilung von Mitte zu Arm und Reich Vorschub leistete. Sie sind als noch nicht sehr lange im Amt Befindlicher nicht hauptverantwortlich, könnten ein „Mea Culpa“ im Namen der Partei aussprechen. Es wäre eine bedeutsame Geste persönlicher Größe und Wiedergutmachungsbereitschaft.

Die Wähler der Mitte wären berührt. Mit diesem Schritt könnten Sie sogar 3-4 % gegenüber der FPÖ gutmachen, Kickl im Finale überholen. Wenn dieser nicht auch noch im letzten Moment die „Mitte-Karte“ spielt. Natürlich tragen auch SPÖ und Grüne Mitverantwortung, haben sich aber der Mitte gegenüber kaum je als Schutzpartei präsentiert. Ich würde Ihnen empfehlen, diese nur bitter erscheinende Pille zu schlucken, danach winken Wahlsieg für die ÖVP und echte Mitte-Politik für die schweigende aber wählende Mehrheit, was letztlich allen dienen wird. Denn ohne Mitte ist alles hin.

Wolfgang Lusak ist Berater von Mittelstandsbetrieben sowie  Gründer und Obmann der unabhängigen „Lobby der Mitte“