Meinung/Gastkommentar

Was sollen wir zuerst tun, was später? Was hat Priorität?

Wir haben eine Krise, die besonders kompliziert ist, weil Gesundheit und Wirtschaft gleichzeitig betroffen sind und wir vorher in Lehre und Schulen nicht auf Veränderungen vorbereitet, aber Klimaprobleme generell vernachlässigt haben. Noch mehr Schulden zu machen, um Geld in einen Bahnausbau zu stecken, der die letzte Meile vernachlässigt, in Fluggesellschaften, die auf Kurzstrecken setzen, oder um den Lobau-Tunnel zu finanzieren, ist kontraproduktiv. Das gleiche gilt dafür, Firmen mit Steuergeld am Leben zu erhalten, die schon seit Jahren keine Arbeitsplätze schaffen.

Vielmehr sollten vier Ziele verfolgt werden: Klimaschäden, die täglich mehr Tote als der Straßenverkehr fordern, müssen eingedämmt werden. Sie betreffen vor allem sozial Schwache, die Luftverschmutzung stärker ausgesetzt sind, später zum Arzt gehen, und eine kürzere Lebenserwartung haben.

Klimapolitik ist Verteilungspolitik und setzt eine Steuerreform voraus. Zweitens sollte die Gesundheitspolitik nach Covid – wie auch Bildungspolitik – anders aussehen; sie sollte Ungleichheiten ausgleichen, die in der Krise zunehmen: Kinder in großen Wohnungen, mit Laptop und der Unterstützung durch Eltern verlieren kaum, während andere ganze Ausbildungsjahre zurückfallen. Arbeitsplätze müssen durch Breitbandausbau auch in Randgebieten forciert werden. Und schließlich muss die Wirtschaftsdynamik erhöht werden. Junge Betriebe sollten zusätzlich gefördert werden, da sie über weniger Reserven verfügen und kaum von Kurzarbeit profitieren.

Springt die Wirtschaft erst einmal wieder an, wird es schwierig, Änderungen durchzusetzen. Die Klimaziele jetzt zu verschieben, weil sie ohnehin erst 2050 erreicht werden müssen, ist falsch. Dass Russland Pipelines für fossile Energie vorantreibt, Diesel-Busse effizienter geworden sind, und alte Autos unverkauft auf Lager liegen, darf nicht zu falschen Schlüssen führen. Wir müssen sofort alle vier Ziele gleichzeitig angehen.

Denn jedes Jahr mit hohen Emissionen schädigt die Gesundheit und erfordert morgen radikale Verbote. Wer heute einen „sauberen“ Diesel kauft, wird morgen Wutbürger, weil er in 5 Jahren damit weder in Städte fahren noch ihn verkaufen kann.

Wer jetzt eine billige, schlecht isolierte Wohnung kauft, wird sich betrogen fühlen, wenn Ölheizungen stillgelegt werden. Jeder Beruf, jede Ausbildung und das Gesundheitssystem müssen zu besserem Verhalten führen, anstatt Probleme nur abzufedern. Das Viereck der Gegenmaßnahmen wird magisch, wenn jede Maßnahme aus einem Bereich die anderen drei mitberücksichtigt. Davon würde Österreich profitieren: Der Vorreiter in der Klimapolitik wird Vorteile bei Gesundheit und Beschäftigung haben.

Einen Aufschub auch nur eines der vier Ziele darf es nicht geben. Später werden wir kein Geld haben, die Schäden werden höher sein und Verbote und Zwänge werden nötig. Nur in der Krise sind wir fähig, radikal umzudenken.

Karl Aiginger ist Ökonom und Leiter der Querdenkerplattform Wien Europa, WU-Wien. Er leitete das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO. Er unterstützt das Klimavolksbegehren.