Meinung/Gastkommentar

Warum sich Frauenfußball rechnet

Heute, Mittwoch, geht die Frauen-EM 2022 für das österreichische Frauenfußballnationalteam mit dem Schlager gegen Gastgeber England im mit 74.500 Plätzen ausverkauften Old Trafford Stadium in Manchester endlich los. One heart. One goal. „Gemeinsame Leidenschaft, gemeinsames Ziel“ lautet das Motto. Wird es nach dem sensationellen Erreichen des Halbfinales 2017 wieder ein Sommermärchen für Teamchefin Irene Fuhrmann und ihr Team, mit den im Ausland erfolgreichen Kapitäninnen Viktoria Schnaderbeck und Carina Wenninger?

Die Fußballerinnen sind zunehmend Role Models und Vorbilder nicht nur für Fußball spielende und interessierte Mädchen und Frauen. Sie sind im Sport und Berufsleben gleichermaßen selbstbewusst, konsequent und erfolgreich, planen ihre Karriere danach durch Ausbildungen bereits während ihrer aktiven Spielzeit. Sie haben auch keine andere Wahl. Weltweit wurden 2021 laut FIFA 2,2 Millionen EURO an Transfererlösen von Frauen lukriert, von Männern sagenhafte 4,6 Milliarden EURO, was einem Faktor von 1:2.000 entspricht. Muss sich Frauenfußball im herkömmlichen Sinn des weltweiten Milliardengeschäfts überhaupt rechnen? Fußballerinnen verdienen eine angemessene Bezahlung und professionelle Strukturen. Bis es so weit ist, bietet die Entwicklung Chancen, die Zukunftsfähigkeit der bis dato männlich dominierten Fußballindustrie zu überdenken.

Frauenfußball steht nun als Eventsport bei Großereignissen bis zum Finale im Wembley-Stadium in London im Rampenlicht. Der ORF überträgt alle EM-Spiele des Frauenteams zur Primetime auf ORF1. Teamchefin und Spielerinnen hoffen auf eine noch größere Plattform und Aufbruchstimmung. Der Österreichische Fußballbund hat in den letzten Jahren, bedingt durch den Erfolg des Frauenteams, eindrucksvoll in die Strukturen und personellen Ressourcen investiert. Zuletzt wurde ein neuer Modus für Nachwuchs mit kleineren Teams präsentiert, der den Wettkampfgedanken hintanstellt, stattdessen Bewegungsfreude und Motivation steigern soll. Das inklusive Modell ist geradezu prädestiniert für Mädchen. Erwiesenermaßen ist das gemeinsame Spiel mit den Burschen bis zum 14. Lebensjahr der sportlichen und persönlichen Entwicklung beider Geschlechter zuträglich. Der perfekte Ort für die Teamfähigkeit von Mädchen, die ansonsten eher im Einzelsport aktiv sind.

Europaweit stehen knapp 12 Millionen Männern 1,6 Millionen Frauen und Mädchen gegenüber. 50 Prozent der männlichen Nachwuchsspieler hören vor dem 18. Lebensjahr mit dem Fußballspiel auf, bei den Talenten, die es an die Spitze im Profifußball schaffen könnten, sind dies bis zu 80 Prozent. Frauen- und Mädchenfußball kann die strukturellen Herausforderungen im Männersport stabilisieren und nachhaltig verändern.

Petra Gregorits ist Unternehmensberaterin und Aufsichtsrätin, war als erste Frau Mitglied des Präsidiums des SK Rapid und beschäftigt sich mit Unternehmens- und Organisationsentwicklung, Zielgruppenmanagement und Diversität.