Solo-Selbstständige: (Schöner) Schein und Wirklichkeit
Die „schnittigen Beiboote“ der heimischen Wirtschaft – so werden sie bisweilen genannt: Die rund 350.000 Ein-Personen-Unternehmen in Österreich. Das Bild, das damit gezeichnet wird, ist klar: Schnell, innovativ, immer am technologischen Puls der Zeit.
Dieses Bild ist auch nicht ganz falsch: Die Solo-Selbstständigen leisten tatsächlich einen enormen Beitrag zur heimischen Wirtschaftsleistung. Aber: Es ist eben nur ein Ausschnitt der Wirklichkeit.
Tatsächlich schaut der Arbeitsalltag vieler Solo-Selbstständigen oft ganz anders aus – geprägt von Unsicherheit und nur wenig glamourös. Es ist daher auch wenig verwunderlich, dass neun von zehn Freelancerinnen und Freelancern sagen, dass es mehr soziale und rechtliche Absicherung braucht.
Wir erleben das in unserer täglichen Beratung: Was tun zwischen den Aufträgen? Bekomme ich im Fall des Falles ausreichend Krankengeld? Wie komme ich durch die schwierige Start-Phase? Das sind häufige Fragen.
Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter helfen, wo sie können. Und es gibt auch eine sehr gut funktionierende Zusammenarbeit mit Interessensvertretungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und der Wirtschaft. Schließlich braucht es das Wissen und Können der Solo-Selbstständigen für den Wirtschaftsstandort.
Es braucht aber auch gesetzliche Rahmenbedingungen und da ist einiges (noch) nicht umgesetzt. Gerade bei schwerer Krankheit sind Freelancerinnen und Freelancer noch immer schlechter gestellt als angestellte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es braucht ein Krankengeld, das im schlimmsten Fall vor Armut schützt. Es braucht ebenfalls eine rechtssichere Abgrenzung von Selbstständigkeit und Dienstverhältnissen. Was wir sehr häufig erleben, ist Schein-Selbstständigkeit.
Und was wir auch erleben: Ein-Personen-Unternehmen sind weiblich. In unserer Beratung zwischen 60 und 65 Prozent über die Jahre. Der Grund liegt auf der Hand: Für nicht einmal 30 Prozent der Unter-Dreijährigen gibt es in Österreich einen geeigneten Betreuungsplatz. Dass Österreich damit europäisches Schlusslicht ist, verwundert nur wenig. Dass sehr viele Frauen dadurch in die Solo-Selbstständigkeit gedrängt werden, steht auf einem anderen Blatt. Viele Frauen schaffen es ohne geeignete Kinderbetreuung einfach nicht, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Solo-Selbstständigkeit ist damit oft nichts anderes als versteckte Teilzeit. Hier muss rasch Abhilfe her. Es braucht deutlich mehr Tempo beim Ausbau der Kinderbetreuungsplätze. Bis 2030 soll es vier Milliarden Euro für Betreuungsplätze, gerade für die Kleinen, geben. Bleibt zu hoffen, dass diese Ankündigung auch nach der nächsten Nationalratswahl gilt.
Sechs von zehn Unternehmen sind in Österreich Ein-Personen-Unternehmen. Gerade das Gesundheits- und Sozialwesen wäre ohne den Beitrag dieser Solo-Selbstständigen längst zusammengebrochen. Wir verlangen für diese Personen die Anerkennung, die ihnen zusteht, und die rechtliche und soziale Absicherung, die sie verdienen und brauchen. Es gibt dabei noch viel zu tun – entweder für diese Regierung oder für die nächste.
Angela Vadori ist Geschäftsführerin von Smart Coop, einer Genossenschaft, die sich auf die Unterstützung von Ein-Personen-Unternehmen spezialisiert hat.