Meinung/Gastkommentar

ORF-Analyse analysiert: Experte unser!

Ja, die Experten! „Bestellt“ werden sie von den Medien aufgrund ihrer Bekanntheit und/oder wegen der erwartbaren Aussagen. Ihren Status haben sie dank des Wissens und/oder der praktischen Fähigkeiten. Prof. Filzmaier wird oft engagiert. Wohl wegen seines politologischen Wissens, hoffentlich aber nicht wegen seiner psychologischen Diagnosen. In der „ZiB2“ vom 14. März wollte der Redakteur mit ihm die Kritik des Kanzlers an Spitzenbeamten analysieren. Filzmaier konstatierte: „Die Impfsache läuft furchtbar schief“. Ginge es weiter wie bisher, könne das bis zum „St. Nimmerleinstag“ dauern. Aus dieser falschen statistischen Hochrechnung liest er den objektiven und subjektiven Druck ab, der seiner Meinung nach auf Sebastian Kurz lastet und ihn zu dem Ausfallschritt gegen Beamte des Gesundheitsministeriums gebracht habe. Als Erklärungshypothese für diese ungewöhnliche Vorgangsweise bietet der Experte ein politisches „Rette mich (sic), wer kann“-Programm von Kurz an, durch das die Schuld bei den Beamten und nicht bei ihm gesucht werden soll.

Aus der Hypothese, von der er – wie er sagte – gar nicht hoffen wolle, dass sie stimme, leitet er die Gefahr eines „Vertrauensfiaskos“ ab. Der einfache Gedanke, dass der Kanzler „nur“ verärgert war, und zwar über Fehlleistungen, unklare Information und Änderungen im Modus der EU-Impfdosenverteilung, scheint ihm nicht gekommen zu sein. Zum Zeitpunkt seiner Schnellanalyse konnte Filzmaier auch noch nicht wissen, dass der Gesundheitsminister den Impfkoordinator aus wichtigen Gremien abziehen würde. Aus guten Gründen. Und nicht weil er bisweilen „wenig sensibel“ war oder „schräge“ und „bizarre“ Medienauftritte hatte (Filzmaier).

Filzmaier ist auch irritiert, dass der Bundeskanzler nicht mitbekommen haben will, wie die Verträge aussehen und wie die Gepflogenheiten in Brüssel seien. Da müsse er sich die Frage gefallen lassen, was er im Jahr 2021 bisher beruflich gemacht habe. Ist das wissenschaftliche Analyse oder kecke Polemik? Aber es geht dem Experten ohnehin mehr um den Stil; z. B. um das „Grundprinzip“, dass stets nur die nächsthöhere politische Ebene kritisiert wird, den Zeitpunkt (kranker Minister) und um die Einmischung in ein anderes Ressort ...

So weit die „Expertise“. Aus ihr ergeben sich ein paar Wünsche an Experten: Bitte Urteile erst nach gründlicher Recherche abgeben! Prüfen, ob sie zum eigenen Fach passen. Sich nicht durch vermeintliche Pointen zu Aussagen verführen lassen. Prognosen ordentlich begründen; nicht nur aussprechen. Hypothesen mit viel Konjunktiv im Anhang möglichst unterlassen. Als Experte abqualifizierende Urteile über Personen vermeiden („schräg“, „bizarr“, „plemplem“). Schließlich ist Anton Kuhs Diktum „Wozu sachlich bleiben! Es geht ja auch persönlich!“ Satire.

Das alles würde helfen, einen Vertrauensschwund (nicht Fiasko) für Experten zu vermeiden.

Rudolf Bretschneider ist Meinungsforscher.