Meinung/Gastkommentar

Nordirlands Frauenpower

Erstmalig in der Geschichte Nordirlands steht eine Katholikin der Sinn-Féin-Partei an der Regierungsspitze, und das in einem Land, wo Monarch und Staatsoberhaupt alles sein können, nur keine Katholiken. Aber Michelle O’Neill ist auch eine Frau. Ist nun dadurch ein anderer, bedächtigerer Stil mit mehr Mitgefühl zu erwarten oder müssen Frauen in der Politik eher „tough cookies“ sein, um sich durchzusetzen? Politik in Nordirland ist nicht für die Schwachen. Eine frühere Parteichefin einer protestantischen Partei, Arlene Foster, war Regierungschefin und wie die meisten Politiker kannte sie Personen, die in den vergangenen „Troubles“ verletzt wurden oder ums Leben kamen. In der Republik Irland stehen ebenso Wahlen vor der Tür, bei denen der Sinn Féin von Mary Lou McDonald gute Chancen hat, an die Macht zu kommen, sodass sich daraus eine solide weibliche republikanische Achse quer über die Insel ergeben würde. In der Republik wie auch in Nordirland dominieren Brot- und Butter-Themen die Tagesordnung statt der Idee einer (Wieder)Vereinigung. Sinn Féin hat die Chance, mit einer Sozialpolitik zu punkten, und in der Folge könnte eine Dynamik in Richtung Vereinigung entstehen. Sollte Sinn Féin aber versagen, wird sie als Partei – wie alle anderen – ihre Wähler enttäuschen. 

Die frühere Regierungschefin und einstige „Kommunikationskönigin“ der schottischen National Partei Nicola Sturgeon zeigt, wie schnell es passieren kann. Bei den Unabhängigkeitsbestrebungen geht nichts mehr weiter und ihre Partei steht noch dazu davor, bei der nächsten Wahl von der Labour Partei dezimiert zu werden. Die Unfähigkeit, Lösungen für Probleme zu schaffen, vor denen die Bevölkerung alltäglich steht, trug wesentlich zu diesem unwürdigen Absturz bei.

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In London grübeln die Tories über die schwache Performance von Obmann und Premier Rishi Sunak. Ein post mortem vor einer Wahl ist zwar unüblich, aber die Partei ist verzweifelt. Eine neue „eiserne Lady“ wird gesucht. Kemi Badenoch vom rechten Flügel oder Penny Mordaunt, die ein kiloschweres Schwert bei der Krönung des Königs stundenlang gehalten hat, haben gute Voraussetzungen. Die königliche Familie wiederum ist mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. Durch die krankheitsbedingte Absenz von König Charles III. treten nun Königin Camilla und Prinzessin Anne mehr in den Vordergrund. Beide nicht die jüngsten, aber mit dem entsprechenden Stehvermögen gewappnet. Die Politik in Großbritannien wird zunehmend von Leuten mit Migrationshintergrund, mit diversen Religionen und Gender beeinflusst. Sie haben einen harten Kampf hinter sich, um nach oben zu kommen. Manche passen sich an und managen einen Status quo, andere zeigen eine Kampfbereitschaft, das Imperium zu ändern. Sie werden aber nicht automatisch eine sanftere Politik anstreben.

Melanie Sully ist eine britische Politologin und lebt seit Langem in Österreich.