Meinung/Gastkommentar

Menschenrecht Identität

In Deutschland kommt das so genannte Selbstbestimmungsgesetz, das den Prozess zur Änderung legaler Dokumente von intergeschlechtlichen und trans Personen erleichtert. Einmal im Jahr kann eine Anpassung des Geschlechtseintrages beantragt werden. Es geht also darum, sein Geschlecht im sozialen wie legalen Kontext selbst zu definieren und anerkannt zu bekommen.

Die Selbstbestimmungstheorie, entwickelt von den Psychologen Richard M. Ryan und Edward L. Deci, geht davon aus, dass Selbstbestimmung fundamental ist; nicht nur für die Motivation von Individuen, sondern auch, um grundsätzliche psychische Bedürfnisse zu erfüllen. Dabei sind drei Aspekte zu beachten: Kompetenz, Autonomie und soziale Eingebundenheit. Autonomie ist ohne ein Selbstbestimmungsgesetz schlichtweg nicht gegeben, weil rechtlich keine Möglichkeit existiert, eigenständig eine Geschlechtsidentität wirkmächtig zu deklarieren. Dies wird durch Regularien, bürokratische Prozesse und die Notwendigkeit von externen Genehmigungen erschwert und in vielen Teilen unmöglich gemacht. Die Kompetenz über die eigene Identität wird abgesprochen und in die Hände von medizinischen Fachleuten gegeben, welche in den meisten Fällen keine gelebte Erfahrung aufweisen und teilweise rein auf äußerliche Erscheinung hin ihre Annahmen treffen. Für intergeschlechtliche Personen wird damit die eigene Identität wieder von medizinischem Personal abhängig gemacht, eine Abhängigkeit die oft mit einer jahrelangen gewaltvollen und traumatisierenden Fremdbestimmung in Verbindung steht. Der Verein intergeschlechtlicher Menschen in Österreich (VIMÖ) leistet dazu seit Jahren Aufklärungsarbeit.

Ein Selbstbestimmungsgesetz hingegen geht von der Kompetenz der jeweiligen Personen in der Beurteilung ihrer eigenen Geschlechtsidentität aus. Die soziale Eingebundenheit von trans und intergeschlechtlichen Personen ist zusätzlich z.B. am Arbeitsmarkt oder bei der Wohnungssuche beeinträchtigt. Gerade für nichtbinäre Personen bedeuten viele Formulare, aber auch ein Großteil bspw. der Toiletteninfrastruktur eine Hürde, gehen diese doch stets von Zweigeschlechtlichkeit aus. Ein Selbstbestimmungsgesetz kann hier nur ein Beitrag dazu sein, zumindest auf legaler Ebene, unterschiedliche Lebensrealitäten gesellschaftlich besser zu verankern und soziale Eingebundenheit zu ermöglichen. All diese Aspekte dienen dazu, es einer kleinen Gruppe von Menschen zumindest in Deutschland einfacher zu machen, ihre Geschlechtsidentität legal anerkannt zu bekommen und sich freier in der Gesellschaft bewegen zu können. Die Umsetzung eines Selbstbestimmungsgesetzes in Österreich ist zentral. Das wird einmal mehr deutlich, wenn wir uns daran erinnern, dass Selbstbestimmung ein grundlegendes Prinzip unseres Zusammenlebens ist.

Katta Spiel ist inter* und forscht an der TU Wien.