Meinung/Gastkommentar

Ist mehr Demokratie die Lösung?

Auf Bundesebene ist das Modell Bürgerrat in Österreich neu. Ein Bürgerrat nimmt Politiker:innen die Entscheidungen weder ab, noch nimmt er sie ihnen weg: Er arbeitet ihnen zu. Bürgerräte sind Versammlungen zufällig ausgewählter Bürger:innen, die mit der im Laufe ihrer Arbeit gewonnenen Expertise politische Entscheidungsträger:innen zu wichtigen gesellschaftlichen Fragen beraten können – nicht nur beim Klima. Die „ganz normalen“ Menschen, aus denen sich ein Bürgerrat konstituiert, können als Multiplikatoren helfen, in ihrem Lebensumfeld Bewusstsein zu den drängenden politischen Fragen unserer Zeit zu bilden. Und ganz besonders wichtig: Bürgerräte sind weder parteipolitisch gebunden noch dem Zeitenlauf und der Logik von Wahlperioden unterworfen.

Das macht sie zu einer essenziellen Bereicherung für unser politisches System. Ein Bürgerrat kann der Politik eine neue Dimension der Handlungsfähigkeit ermöglichen – sofern Politiker:innen dies auch zulassen. Wie sollten also unsere Regierung und unsere Parlamentarier:innen mit den Empfehlungen des Klimarats umgehen? Mit der Beauftragung eines Bürgerrats haben Parteien und Abgeordnete ein Versprechen gegeben: Ihr Bürger:innen investiert Eure Zeit, Eure Energie, Eure Lebenserfahrung in die Bearbeitung eines wichtigen Problems. Also widmen wir unsere Zeit Euren Empfehlungen, setzen unsere Energie für die mögliche Umsetzung Eurer Vorschläge ein und überprüfen unsere Standpunkte gründlich. Wo wir von Euren Empfehlungen abweichen, begründen wir das nachvollziehbar. Alles andere würde Frustration aufseiten der Bürger:innen vorprogrammieren.

Doch wird hier zugleich das Selbstverständnis der Abgeordneten auf eine Probe gestellt: Als gewählte Repräsentanten der Bürger:innen treffen sie die Entscheidungen in diesem Land. Wozu brauchen wir da noch Bürgerräte? Weil die Politik es trotz zahlreicher und andauernder Krisen nicht schafft, Probleme von größter Tragweite zu lösen!

Unsere Regierung hat das wichtige Ziel Klimaneutralität 2040 ausgerufen. Der Weg dorthin braucht: politischen Mut, weil Maßnahmen zum Klimaschutz tiefgreifende Veränderungen für uns Menschen und unsere Gesellschaft bedeuten; langen Atem, weil Gesetze und Maßnahmen Amtsperioden und Wahlkämpfe überstehen müssen, wenn sie wirken sollen; eine aufgeklärte Bürgerschaft, damit Maßnahmen abseits von Parteizwang und mit dem nötigen Realismus für sozialen Ausgleich und globale Verantwortung erarbeitet werden.

Hier gilt es, eine Lücke in unserer Demokratie zu schließen, denn wir müssen jetzt über nichts Geringeres als unsere Lebensgrundlagen entscheiden. Die Frage ist also nicht, können wir uns Bürgerräte leisten, sondern können wir weiterhin ohne sie Politik machen?

Elisabeth Sallinger ist Freiwillige beim Klimavolksbegehren

Patrick Scherhaufer ist Politikwissenschaftler an der BoKu und Teil des Evaluationsteams zum Klimarat.