Meinung/Gastkommentar

Eine Etappe, kein Endpunkt

Vor bald einem Jahr hat der Verfassungsgerichtshof das strafrechtliche Verbot der Hilfeleistung bei der Selbsttötung für verfassungswidrig erklärt. Die Frage nach dem Ob war damit geklärt, das Wie blieb offen.

Der aktuelle Entwurf scheint den Spagat zwischen Selbstbestimmung und Schutz vor Missbrauch – jedenfalls prima facie – durchaus zu schaffen: Unbedingte Grundvoraussetzung für Hilfeleistung ist eine ärztliche Aufklärung, außerdem ist sie bei Minderjährigen, aus verwerflichen Beweggründen (die Erläuterungen zum Gesetz nennen ausdrücklich „Grausamkeit, Rachsucht oder ausgeprägtes Gewinnstreben“) und bei Menschen verboten, die nicht an einer hinreichend schweren oder unheilbaren Krankheit leiden; dass auf eine Auflistung verzichtet wurde erscheint insofern begrüßenswert, als sonst das Risiko der Vereinfachung von Einzelfallsituationen oder auch der Stigmatisierung bis hin zur indirekten Verleitung von Betroffenen bestünde.

Gelegenheit schafft Suizide, vereinfacht gesprochen würde man damit jenen, die an einer aufgelisteten Krankheit leiden, implizit per Gesetz nahelegen, ihr Leben zu beenden. Neben dem Bezug eines Medikaments über Apotheken als von der Regierung bevorzugte Suizidmethode sind auch andere Todesarten möglich, etwa der Transport von suizidwilligen Menschen in die benachbarte Schweiz zur sogenannten Freitodbegleitung, die auch ausländischen Staatsbürgern ohne Wohnsitz offen steht.

Das ist insofern bedeutsam, als bislang selbst der Kauf eines Zugtickets in die Schweiz strafrechtlich verfolgt wurde, was – so munkelt man – eine entscheidende Rolle dabei spielte, die Verfassungsrichter von der Notwendigkeit einer Aufhebung eines derart weitgehenden Verbots zu überzeugen.

So weit der aktuelle Stand. Man wird sehen, ob es Fallkonstellationen gibt, die nicht ausreichend bedacht wurden, oder wie der Nachweis der schändlichen Motivationslagen konkret funktionieren soll.

Der eigentliche Knackpunkt liegt aber außerhalb der neuen Regelung, nämlich bei der aktiven Sterbehilfe.

Der VfGH hat das Verbot bestätigt, für den selbst gewählten Tod einen Arzt in Anspruch zu nehmen, dem unmittelbar davor klar der Sterbewille kommuniziert wird, anstatt den finalen physischen Akt selbst zu setzen.

Hier bleibt dennoch ein Rest-Widerspruch zur Selbstbestimmung, zumal die Grenze zwischen aktivem und passiven Handeln oft fließend ist. Man darf jedenfalls damit rechnen, dass diese Frage irgendwann wieder vor dem VfGH landet (man denke etwa an das so genannte Locked-in-Syndrom, bei dem Betroffene lediglich ihre Augen öffnen, schließen und vertikal bewegen können). Der (selbst gewählte) Tod wird uns noch lange begleiten.

Ralph Janik ist Lehrbeauftragter für Völkerrecht und Menschenrechte, unter anderem an der Universität Wien.