Meinung/Gastkommentar

Ein Museum für Dollfuß?

Engelbert Dollfuß war ein Gegner Hitlers, und er war ein Opfer der SS. Dennoch: Er passt nicht in die positive Erinnerungskultur der demokratischen Republik. Denn er war deren Zerstörer. An dieser Erkenntnis führt kein Weg vorbei. Dollfuß paktierte mit Mussolini und dem faschistischen Flügel der Heimwehren. Er versuchte kein Bündnis mit der Sozialdemokratie. Dass diese es ihm nicht leicht machte; dass auch heute unklar ist, ob ein solcher Versuch eines Schulterschlusses zwischen Christlichsozialen und Sozialdemokraten eine Chance auf Erfolg gehabt hätte, ändert daran nichts: Dollfuß nutzte im März 1933 eine Geschäftsordnungspanne des Nationalrates, um an die Stelle der demokratischen Republik eine Diktatur zu setzen.

Dass Dollfuß dabei von den Erfolgen der NSDAP in Österreich getrieben wurde; dass er befürchten musste, eine freie Wahl würde zu starken Gewinnen der NSDAP führen, mag das Verhalten des Kanzlers verständlich machen. Aber das ist keine Rechtfertigung für einen Weg, der ja erst recht Hitler nach Österreich brachte.

Wie soll man, so viele Jahrzehnte danach, mit diesem Engelbert Dollfuß umgehen? Man darf sein Tun weder verharmlosen, noch darf man seine Rolle verdrängen. Dass die Dollfuß-Diktatur nicht den totalitären Charakter der Hitler-Diktatur aufwies; dass es in Österreich zwischen 1934 und 1938 keine rechtliche Diskriminierung von Jüdinnen und Juden gab, rechtfertigt den von Karl Kraus auf Dollfuß gemünzten Begriff vom „kleineren Übel“. Aber ein Übel war dieser von Dollfuß geschaffene Staat. Deshalb kann und muss man über Dollfuß sprechen. Und man soll ihn differenziert sehen – als einen, der das verhindern wollte, was dann im März 1938 auf Österreich hereinbrach.

Aber in diesem seinen Versuch war Dollfuß gescheitert. Mit den Mitteln der Diktatur eine noch schlimmere Diktatur abwehren zu wollen, das war der falsche Weg. Wäre ein im März 1933 noch mögliches Zugehen auf die sozialdemokratische Opposition sinnvoll gewesen? Es wäre möglich gewesen – wie Ernst Karl Winter argumentierte, der persönliche Freund des Kanzlers. Doch Dollfuß setzte auf den italienischen Diktator und versuchte, dessen Faschismus zu imitieren. Dass er sich dabei der Unterstützung der katholischen Kirche sicher sein konnte, spricht nicht für Dollfuß, sondern gegen den Vatikan und die Bischöfe der Zeit. Die Mitstreiter Dollfuß’ haben aus der Geschichte gelernt, Leopold Figl etwa und Julius Raab und auch die Bischöfe. Und deshalb sollen die, die in der Tradition des christlich-konservativen Lagers stehen, nicht Dollfuß schön reden; sondern sich die 1945 demonstrierte Lernfähigkeit der Dollfuß-Anhänger zum Vorbild nehmen, die mit den Vertretern der 1934 militärisch bekämpften Linken die demokratische Republik neu gründeten. In diesem Sinn kann man von Dollfuß lernen. Ein Dollfuß-Museum? Nein. Eine Dollfuß-Erinnerungsstätte, als Demokratie-Werkstatt? Vielleicht.

Anton Pelinka ist Politologe.