Die „Wiener Zeitung“ soll leben
Österreich hat, weiß Gott, von Vielem zu viel oder jedenfalls ausreichend. Wovon Österreich nicht genug hat, ist guter Journalismus. Die Ursachen dafür sind vielfältig, und reichen teils lange zurück. ÖVP und Grüne wollen nun mit einer Reform der Medienförderung und mehr Inseratentransparenz gegensteuern. Teil dieses Medienpakets ist auch eine Reform der Wiener Zeitung GmbH, die im Eigentum der Republik steht.
Die Abschaffung der Gebühren für Pflichtveröffentlichungen samt Umstellung des Amtsblatts auf online-only ist nicht nur legitim, sondern überfällig. Allerdings gefährden diese Entscheidungen den Fortbestand der Wiener Zeitung als Tageszeitung. Erlauben Sie mir zu erklären, warum ich – und mit mir zahlreiche Menschen und Institutionen dieser Republik – überzeugt bin, dass die Wiener Zeitung als Qualitätstageszeitung bestehen bleiben muss.
Qualitätsmedien (dieser Begriff hat nichts mit dem Format, aber alles mit der Einstellung einer Redaktion zu tun) stehen unter Druck. Das haben sie mit der Politik gemein. Für beide gilt: Glaubwürdigkeit und Vertrauen ist ihr wichtigstes Gut. Die Wiener Zeitung hat sich dies durch ihren Journalismus erarbeitet, der kritisch, unabhängig und darüber hinaus unaufgeregt ist, wenn andere hyperventilieren. Zu dieser Glaubwürdigkeit kommen zwei weitere harte „Assets“: Die Wiener Zeitung, gegründet 1703, ist die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt (auf ihren Seiten wird seit bald 320 Jahren die Geschichte Österreichs fortgeschrieben!) und verfügt über einen der besten Markennamen im deutschsprachigen Medienraum. Alles zusammengenommen – Qualität, Glaubwürdigkeit, Tradition und Marke – stellt in unserer von Flüchtigkeit geprägten digitalen Ära ein für Österreich einzigartiges Gesamtpaket dar, das man entwickeln und wachsen lassen muss, aber auf keinen Fall zugrunde gehen lassen darf. Und wenn es die Republik nicht selbst machen möchte, sollten andere die Chance dazu erhalten.
Die Redaktion hat gemeinsam mit Christian Helmenstein vom Forschungsverbund Cognion ein innovatives Zukunftskonzept für die Tageszeitung erarbeitet. Es gibt also Interesse wie Interessenten. Die digitale Revolution ist gerade für Medien eine existenzielle Herausforderung mit Chancen wie Risken. Die einzig richtige Antwort darauf lautet: mehr Journalismus statt weniger. Deshalb führen Überlegungen, die Wiener Zeitung per politischer Weisung in eine Wochen- oder gar Monatszeitung umzuwandeln, in eine Sackgasse. Solche Entscheidungen müssen das Ergebnis unternehmerischen Denkens mit verlegerischer Kompetenz sein.
Österreich hat von Vielem zu viel. Deshalb sollte es sich die Republik nicht leisten, eine ihrer besten Tageszeitungen (samt beispielloser Geschichte) untergehen zu lassen.
Walter Hämmerle ist Chefredakteur der „Wiener Zeitung“.